Süddeutsche Zeitung

Jazz:Stilecht ins Heute

Lesezeit: 2 min

Claus Raible stellt sein neues Album vor

Von Oliver Hochkeppel, München

Im gedeckten Anzug mit Krawatte und Menjou-Bärtchen sitzt er am Klavier, wenn es geht aufreizend lässig im Stuhl mit Rückenlehne statt am Klavierhocker; seine Pressefotos sind grundsätzlich schwarz-weiß und erinnern an die "Blue Note"-Ästhetik von Francis Wolff - der Münchner Pianist Claus Raible lebt seinen Stil. Und das ist seit jeher der Bebop aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren, also die bis heute zugleich kunstvollste wie puristischste Ausprägung des Jazz. Dessen komplexe Harmonik, die synkopierte Rhythmik und die meist in Achtelnoten zerlegten Themen, das faszinierte Raible schon in seiner Jugend, als er in Baldham aufwuchs.

Trompete hatte er mit elf gelernt, und eine Platte von Fats Navarro und Tadd Dameron wurde zum Schlüsselerlebnis. Fortan - er wechselte schnell ganz ans Klavier - hießen seine Hausgötter Elmo Hope, Thelonious Monk oder Bud Powell.

Raible studierte dann in Graz - wo er später auch mal selbst Dozent war - und Wien, bevor es ihn sozusagen unvermeidlich nach New York zog, dem wichtigsten Schauplatz seiner Vorbilder. Von 1995 bis 1998 lebte er dort, spielte so oft er nur konnte in den einschlägigen Clubs mit den alten Cats und ließ sich von dem Piano-Professor des Bebop Barry Harris in die Kunst des stilechten Komponierens und Arrangierens einführen. Denn das war Raible von Anfang an wichtig: Der Bebop ist für ihn keine nostalgische Angelegenheit, sondern lebendige, zeitlose Musik, die sich weiterentwickeln lässt ist.

Seine inzwischen fast einzigartigen Projekte stemmte er von 1998 an wieder in München: "Es gelang mir nicht, in New York von der Musik zu leben." Doch die Kontakte ins Jazz-Mutterland hält und pflegt er bis heute. So hat er immer wieder grandiose Bebop-Kollegen aus den USA herübergelockt, den Oscar-Peterson-Drummer Ed Thigpen zum Beispiel, den Altsaxofonisten Brad Leali oder den lange in der Versenkung verschwundenen Blue-Note-Hausdrummer Ben Dixon. Mit ihnen hat er dann eigenwillige und gefeierte Hommagen an seine Helden zusammengestellt, an Elmo Hope, Tadd Dameron. Zuletzt hat er - zu sehen unter anderem bei der Jazzwoche Burghausen 2018 - mit dem Trompeter Charles Tolliver Thelonious Monks legendäres Town Hall Concert von 1959 neu belebt.

Das geschah wie viele seiner Projekte in größerer Besetzung. Jetzt aber wendet er sich wieder dem geliebten klassischen Klaviertrio zu: "Trio" heißt denn auch sein soeben beim österreichischen Label Alessa erschienenes neues, mittlerweile neuntes Album, das er jetzt in der Unterfahrt präsentiert. Neben seinem langjährigen Begleiter am Bass Georgios Antoniou hat er dafür wieder eine amerikanische Legende rekrutiert: Am Schlagzeug wirbelt der 79 Jahre alte Swingbop-Held Alvin Queen. Gemeinsam zelebriert man einige Standards wie "Round Midnight" (allerdings in Thelonious Monks fast nie gespielten Originalharmonien), "I'll Remember April" oder "Smoke Gets In Your Eyes" auf eigene kantige Art. Nicht zuletzt aber auch etliche Eigenkompositionen von Raible, die seine Ausnahmestellung belegen, wie das in 6/8teln verzinkt zwischen Monk und Erroll Garner groovende "Ridin' High" oder das rollende "Boogaloo-Baloo". Wer es nicht in die Unterfahrt schafft, hat am 6. Mai im Le Pirate in Rosenheim noch einmal die Gelegenheit. Dazwischen ist Raible vorzugsweise mit seinem Tribute an Elmo Hope unterwegs, unter anderem auf einer größeren England-Tour.

Claus Raible Trio , Samstag, 11. Januar, 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42

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Quelle:
SZ vom 11.01.2020
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