Süddeutsche Zeitung

Verhaftungen in Iran:Einmischung unerwünscht

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Die Verhaftung der iranischen Filmemacher Mohammad Rasoulof und Jafar Panahi folgt auf eine Welle von Protesten, die das Regime unter Druck setzen.

Von Susan Vahabzadeh

Mit Jafar Panahi, der am Montag festgenommen wurde, sind innerhalb weniger Tage drei prominente iranische Filmemacher verhaftet worden. Panahis Film "Der Kreis" (2000) hat bei den Filmfestspielen von Venedig den Goldenen Löwen gewonnen, 2015 gewann er mit "Taxi Teheran" die Berlinale. Panahis Verhaftung folgt der eines alten Weggefährten, Mohammad Rasoulof; der war am Samstag zusammen mit Mostafa Al-Ahmad in Haft genommen worden - wegen eines Aufrufs gegen Gewalt. "Soweit ich weiß, ist Panahi tatsächlich nur dort hineingeraten, weil er sich nach der Verhaftung von Rasoulof und Mostafa Al-Ahmad vor Ort nach ihnen erkundigen wollte", sagt der Hamburger Produzent Mani Tilgner. Mani Tilgner arbeitet bereits seit mehr als zehn Jahren mit Rasoulof zusammen, mit der Firma Cosmopol-Film war er zuletzt an der Produktion "Doch das Böse gibt es nicht" beteiligt, mit dem Rasoulof 2020 den Goldenen Bären der Berlinale gewann.

Diese Welle von Verhaftungen kommt nicht von ungefähr - sie ist die Folge einer angespannten Lage in Iran, die mit den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Sommer begonnen hat und durch die aktuellen Verwerfungen in der Weltwirtschaft befeuert wird. Im Juni 2021 wurde der ultrakonservative Ebrahim Raisi Nachfolger des Staatspräsidenten Hassan Rohani, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte. Die meisten Kandidaten, die sich im vergangenen Sommer beworben hatten, durften nicht zur Wahl antreten - die Auswahl war am Ende gering. Und die Wahlbeteiligung war es dann auch.

Die iranische Filmgemeinde wurde gewarnt, die Proteste nicht zu unterstützen. Einige taten es aber doch

Das Land ist von der Pandemie stark betroffen, in den vergangenen Monaten ist es aber vor allem die Weltwirtschaft, die Iran zu schaffen macht - die Inflation ist hoch, die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen. Das führte zu Protestwellen, die sich von denen in vorangegangenen Jahren unterschieden - denn aus denen hatte sich die eher konservative Bevölkerung auf dem Land und in den Kleinstädten herausgehalten. Diesmal war das anders. Dann kam es Ende Mai zu einer Katastrophe: Ein Geschäftshochhaus in Abadan, der Metropol-Turm, stürzte ein und begrub Dutzende Menschen unter sich, am Ende gab es mehr als dreißig Tote. In Abadan wurden zwar Politiker zur Rechenschaft gezogen, aber die Proteste verschärften sich, wandten sich gegen die Führung der Islamischen Republik: Nicht nur Fahrlässigkeit, sondern auch Korruption sahen die Demonstrierenden als Grund für den Einsturz des Turms. Das Regime steht unter Druck.

Kulturminister Mohammad Mehdi Esmaili warnte die iranische Filmgemeinde, die Proteste nicht zu unterstützen. Einige taten es aber doch. Sicherlich sind die Verhaftungen auch in diesem Kontext zu sehen, erzählt Tilgner. Auf seinem Twitter Account hatte Rasoulof außerdem immer wieder auf verhaftete Künstler und Künstlerinnen sowie Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten aufmerksam gemacht. Den engsten Kontakt hat Tilgner mit Mohammad Rasoulof. Die Veränderung im gesellschaftlichen Klima, die sich steigernde Repression des Staates, sei etwas, "was mir auch andere Iraner spiegeln", sagt er.

Filmemacher wie Mohammad Rasoulof und Jafar Panahi haben es auch schwer gehabt, als der erzkonservative Mahmud Ahmadineschad von 2005 bis 2013 Präsident war, beide sind nach Protesten von 2009 schon vor Gericht gestellt worden und wurden mit Arbeitsverboten belegt. Panahi drehte, nachdem ihm das Filmemachen verboten wurde, einen Film mit dem provozierenden Titel "Dies ist kein Film", der dann in Cannes lief. Ihre Filme haben beide auf westlichen Festivals zu Starregisseuren gemacht, dürfen in Iran aber nicht gezeigt werden.

"Doch das Böse gibt es nicht", der Berlinale-Sieger, handelt von der Todesstrafe - und Mohammad Rasoulof betrachtet sich selbst keineswegs als politischen Aktivisten. "Eigentlich geht es da um grundlegende Menschenrechte", sagt Tilgner, "aber die Darstellung der Lebensverhältnisse der Menschen in Iran wird schnell von den Autoritäten als politischer Akt definiert." Wie es nun weitergeht, welche Konsequenzen die Vorwürfe haben werden, weiß auch Tilgner nicht - in Iran ist, erklärt er, oft eine Mischung aus Willkür und Gesetzbuch am Werk.

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