Süddeutsche Zeitung

Antiliberales Denken:Ein Nationalist? "Das bin ich auch, ganz genau das."

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Von Felix Stephan

Knapp drei Wochen vor der Veröffentlichung seines neuen Romans hat Michel Houellebecq einen Essay im amerikanischen Harper's Magazine veröffentlicht. Überschrift und Grundton des Textes lauten jeweils: "Donald Trump is a good president". Ob das ernst gemeint ist oder nicht, ob es sich um eine PR-Provokation oder ein wirklich wahres Bekenntnis handelt, ist trotzdem eher nicht die Frage. Wer will das schließlich entscheiden? Und: Was wäre gewonnen, wenn es entschieden wäre?

Wer seine Romane liebt, aber seine antiliberalen Ansichten abstoßend findet, empfindet womöglich eine verständliche Sehnsucht danach, sich auf den hochbegabten Medienkünstler Houellebecq berufen zu können, der es vor jedem neuen Roman schafft, mit platzierten Statements eine internationale Artikelserie auszulösen. Dabei liegt der Charme vielleicht gerade darin, dass sich beides eben auch in einer Person vereinen und sich sogar gegenseitig befruchten und bedingen kann.

Bei dem Text in Harper's handelt es sich jedenfalls eher nicht um eine Verneigung vor Trump, sondern um eine Aufzählung gemeinsamer Interessen: Trump lehnt den Freihandel ab, wenn er auf Kosten der Arbeiter geht, Houellebecq auch. Trump würde am liebsten die EU auflösen, Houellebecq auch. Trump will den amerikanischen Interventionismus beenden, auch das begrüßt Houellebecq aus ganzem Herzen: "Trump hat offenbar kürzlich erklärt: 'Wisst ihr, was ich bin? Ich bin ein Nationalist.' Das bin ich auch, ganz genau das."

Liberalismus und Globalisierung sind für Houellebecq vor allem ein Raubzug am Geiste Frankreichs

Dass Houellebecq den Liberalismus für einiges menschliches Leid verantwortlich macht, dürfte niemandem entgangen sein. Die sexuelle Revolution von 1968 deutet er als Ausweitung des marktliberalen Verdrängungswettbewerbs auf den Bereich der Sexualität, der in erster Linie dazu geführt hat, dass einige wenige Gewinner mehr Sex zur Verfügung haben, als sie je werden verbrauchen können, während eine ganze Schicht von Verlierern entweder Geld dafür ausgeben oder ganz darauf verzichten muss. Und den ökonomischen Liberalismus macht er dafür verantwortlich, dass das kulturelle, humanistische, stolze, souveräne Frankreich sich heute nur noch behaupten kann, wenn es seine Kultur als Anlageform versteht und seine Weingüter, seine Museen und Kulturschätze meistbietend verscherbelt. Liberalismus und Globalisierung sind für Houellebecq vor allem ein Raubzug am Geiste Frankreichs, eine spirituelle Enteignung. Dass sich nun ausgerechnet Donald Trump diesen Kräften entgegenstellt, damit kann er gut leben.

Als Äußerung eines Dichters weist den Text nicht zuletzt seine träumerische Halbinformiertheit aus. Er vermengt Projektionen, Nostalgie, historisches Halbwissen. Sachlich ist das meiste leicht zu widerlegen. Das ist eine schöne französische Tradition: Auch der fantastische Schriftsteller Édouard Louis liegt immer dann produktiv daneben, wenn er als politischer Kommentator auftritt.

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Quelle:
SZ vom 20.12.2018
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