Süddeutsche Zeitung

"Ein Fest fürs Leben" im Kino:Knochenjob

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Wenn Christoph Maria Herbst im Kino eine Hochzeit plant, wird's "Ein Fest fürs Leben". Oder aber ein totaler Albtraum.

Von Josef Grübl

Recycling hat Zukunft. Das wissen selbst jene Kinozuschauer, die ihre leer gefressenen Nachos-Schalen und ausgetrunkenen Cola-Kübel nicht ganz so fachgerecht entsorgen. Auf der Leinwand finden sie Wiederverwertung aber super, das beweisen die Zuschauerzahlen all der Sequels, Prequels, Reboots oder Wiederbelebungen bewährter Stoffe. Ohne solche Formate könnten Kinos heute zusperren, es gilt das Programmrezept: Ein bisschen neu sollte es schon sein, aber nicht zu viel. Womit wir bei "Ein Fest fürs Leben" wären: Das späte Kinodebüt des Fernsehregisseurs Richard Huber hat Publikumspotenzial, ist ordentlich inszeniert, geschrieben und gespielt. Sogar etwas zu lachen gibt es, was bei deutschen Kinokomödien ja nicht automatisch der Fall ist.

Nur neu ist diese Komödie eben nicht, sie ist ein Remake des französischen Filmhits "Le sens de la fête". Dieser lief vor fünf Jahren unter dem Titel "Das Leben ist ein Fest" auch in den deutschen Kinos. Nur sahen ihn da nicht so viele Menschen, Filme aus europäischen Nachbarländern haftet ja oft ein Arthouse-Stempel an, unabhängig von Machart oder Genre. Dabei ist die Geschichte schnell erzählt: Ein Hochzeitsplaner richtet den schönsten Tag im Leben eines Brautpaars aus, dabei läuft alles schief, was nur schieflaufen kann. Es geht also um Eskalation - und dafür sorgt vor allem das Tam des bedauernswerten Organisators: Seine Assistentin hat ein Aggressionsproblem, der Sänger sieht sich als verhinderter Rockstar. Ein Aushilfskellner ist verpeilt, der andere verliebt in die Braut. Und dann wäre da noch der Fotograf, der lieber das Buffet leer frisst als zu knipsen.

Muss die Polonaise denn wirklich sein? Ja, muss sie

Das kennt man aus dem französischen Original, die Recyclingquote der deutschen Adaption ist hoch. Das Schloss, die Perücken, das Feuerwerk: alles gleich. Auch bei der Besetzung setzt man auf Wiedererkennung: Christoph Maria Herbst hat sich bewährt in Remakes französischer Filmhits, "Der Vorname" (nach "Le prénom") und "Contra" (nach "Le brio") wurden unter anderem dank seiner Mitwirkung zu Kassenerfolgen. Herbst ist ein erfahrener Leading Man, in ihm steckt mehr als der beliebte Comedian, die gefragte Hörbuchstimme, der ewige Stromberg. Selbst als Multitasker mit Migräne lässt er sich nicht aus der Reserve locken, weder von seinen Angestellten noch von den Auftraggebern. Beinahe stoisch erträgt er das Chaos, die Pannen und den Perfektionsdruck, ohne den solche Feiern scheinbar nicht mehr durchführungsfähig sind. Erst als die Steuerfahndung droht, klappt er zusammen.

Bleibt noch die Sache mit den Servietten: Während der Bräutigam im Original das Wedeln damit verbieten will, weil ihm das zu prollig ist, hat sein deutsches Pendant keine Lust auf Polonaisen - aus genau demselben Grund. "Schlicht, schick, elegant" solle die Feier sein, bläut er dem Sänger (Marc Hosemann) ein. Alles klar, sagt dieser: "Schlicht, schick, arrogant." Kurz darauf ziehen die Gäste grölend durch den Schlossgarten: "Hier fliegen gleich die Löcher aus dem Käse."

Das ist eindeutig deutsch, ansonsten ist die Story so allgemeingültig erzählt, dass sie überall spielen könnte. Ihre Schöpfer Éric Toledano und Olivier Nakache (die vor zwölf Jahren mit "Ziemlich beste Freunde" einen Welthit landeten) orientierten sich an Hollywood-Comedy-Standards, ihr Film hat ein irres Tempo. Das deutsche Remake kann oder will da nicht ganz mithalten, die Ereignisse eskalieren aber genauso - und lösen sich ebenso schnell wieder in Wohlgefallen auf. Es geht um den Effekt, nicht um die Folgen, weder bei der Magen-Darm-Verstimmung der Musiker noch beim vergessenen Geschirr oder dem verdorbenen Essen. Lässt sich alles lösen, lässt sich auch prima recyceln.

Ein Fest fürs Leben , D 2023 - Regie und Drehbuch: Richard Huber. Mit: Christoph Maria Herbst, Cynthia Micas, Marc Hosemann. Warner Bros., 102 Minuten. Kinostart: 19. Oktober 2023

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