Süddeutsche Zeitung

"Django" im Kino:Weltberühmt und doch diskriminiert

Lesezeit: 3 min

Der legendäre Gitarrist Django Reinhardt wurde als Sinti von den Nationalsozialisten verfolgt. Der Film "Django" lässt sein Schicksal nun sehr gegenwärtig aussehen.

Von Philipp Stadelmaier

Das Publikum im überfüllten Konzertsaal wird schon ungeduldig, aber der Künstler ist gerade noch schön beim Fischen. Django Reinhardt (Reda Kateb) steht in aller Seelenruhe am Ufer der Seine, lässt sich die Pariser Sonne auf den Kopf scheinen und seine Angel ins Wasser baumeln. Ab und an nimmt er einen Schluck aus der Schnapspulle. Bis am Quai sein gestresster Manager auftaucht, der ihn schon überall gesucht hat: "Auf geht's Django, der Saal ist voll, die Leute warten!"

Reinhardt lässt sich also zum Konzertsaal fahren, in einen Anzug stecken, die Gitarre in die Hand drücken und auf die Bühne zerren, die Bandkollegen sind längst da. Applaus brandet auf und verstummt. Dann greift er in die Saiten, und mit einem Mal ist die Gemütlichkeit wie weggewischt. Django Reinhardt, der weltberühmte Gitarrist, gibt flirrenden Gypsie-Swing zum Besten. Und das mit einer linken Hand, an der zwei Finger verkrüppelt sind.

Dieses Konzert ist kein gewöhnliches: Im Halbdunkel des Saals sieht man etliche Nazi-Uniformen. Es ist das Jahr 1943, Frankreich wurde von den Deutschen besetzt. Die Amerikaner sind aus Paris verschwunden und mit ihnen viele Jazzmusiker, was Reinhardt zum unbestrittenen "King of Swing" der französischen Hauptstadt macht. Sogar die Deutschen sind begeistert und swingen mit, wenngleich etwas steif. Dennoch geht eine Gefahr von ihnen aus, Reinhardt ist Sinti, und der Film beginnt damit, wie eine Gruppe Sinti in einem Wald von den Deutschen ermordet wird. Die Nazis haben Reinhardt genau im Visier. Nach dem Konzert kommt ein deutscher Kulturattaché in seine Garderobe, um ihn nach Berlin einzuladen. Goebbels würde ihn gern sehen, vielleicht sogar der Führer! "Einladen" ist natürlich ein Euphemismus. Eher wird die Sache angeordnet. Eine alte Freundin, Louise (Cécile De France), rät Reinhardt ab: Wenn er nach Deutschland gehe, werde er nicht mehr zurückkommen - es blühten ihm Deportation und Ermordung.

Dass sich der französische Regisseur Étienne Comar in seinem Biopic über den großen Jazzgitarristen, der von 1910 bis 1953 gelebt hat, auf die Jahre der Okkupation beschränkt, ist eine gute Idee. Aus dieser Bedrohung zieht die Geschichte ihre dramaturgische Spannung.

Aber auch unabhängig davon wird der Film Reinhardt gerecht. Dessen Musik hatte eine Klarheit und Leichtigkeit, die über allem zu schweben scheint. Als solchen Schwebekünstler spielt ihn Hauptdarsteller Reda Kateb auch, mit leicht entrücktem Ausdruck, über den Dingen stehend. Reinhardt wähnt sich zunächst in Sicherheit. Seine Musik macht ihn unangreifbar. Sie erlaubt es ihm, während der Besatzung mit Frau, Mutter und Hausaffe in einem großen Appartement in Paris zu leben.

Schließlich muss er aber doch fliehen, Richtung Schweiz, seine Musik wird zur Belastungsprobe für das künstlerische Reinheitsgebot der Nazis. "Negermusik" und flotte Rhythmen, so macht der Kulturattaché klar, seien in Berlin verboten. Als Reinhardt bei einem Nazifest auftritt, kippt der Reglementierungswahn, der seiner Kunst völlig zuwiderläuft, ins Absurde: Leise und langsam spielen, nur Durakkorde, nicht mit dem Fuß wippen. Reinhardt hört sich diese schwachsinnigen Forderungen geduldig an. Ob er überhaupt was von Musik verstehe, kläfft der Deutsche. Nein, antwortet Reinhardt. "Aber die Musik versteht mich." Dieser Satz sagt viel aus über das Selbstverständnis des Künstlers, aber auch über seine Hilflosigkeit. Die Musik existiert unabhängig von Reinhardt, sie spielt ihr eigenes Spiel. Sie ist nicht nur sein Schutzmantel, sondern liefert ihn auch der Diskriminierung aus.

Diese geht, das zeigt der Regisseur genau, nicht nur von den Deutschen aus, auch die Franzosen haben ihre Vorurteile. Später sind es ausgerechnet die Franzosen der Résistance, die ihm bei der Flucht helfen sollen und ihn dann doch hängen lassen. Nach dem Krieg hatte Reinhardt noch eine ruhmreiche Karriere, reiste in die Vereinigten Staaten, arbeitete mit Musikern wie Duke Ellington.

Comar aber zeigt den berühmten Musiker als Angehörigen einer diskriminierten Minderheit - als Flüchtling. Dieser Historienfilm hat damit ganz und gar seinen Platz in unserer Gegenwart. Als ein anderer Sinti Reinhardt einmal als "Held" bezeichnet, erwidert dieser: "Ich bin ein Sinti, genau wie du."

Django , Frankreich 2017 - Regie: Étienne Comar. Buch: Comar, Alexis Salatko. Kamera: Christophe Beaucarne. Mit Reda Kateb, Cécile de France, Beata Palya. Weltkino, 115 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2017
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