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"Die zwei Gesichter des Januars" in der SZ-Cinemathek:Eiseskälte hinter charmanter Fassade

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"Die zwei Gesichter des Januars" ist ein Kostümfilm, der den Zuschauer ins Griechenland der Sechzigerjahre entführt. Für die Spannung sorgen die gut ausgewählten Schauspieler: Viggo Mortensen ist so richtig schön unangenehm, aber erst auf den zweiten Blick; und Oscar Isaac wirkt so verloren, dass man ihm seine Fehler verzeiht.

Von Susan Vahabzadeh

Krimis sind die neumodischen Verwandten der guten alten Märchen, sie spielen in einem Sehnsuchtsland voller faszinierend finsterer Gestalten, und im Idealfall landet am Ende der böse Wolf auf dem Brunnengrund, und landen nicht die sieben Geißlein in seinem Magen.

In "Die zwei Gesichter des Januars" ist es erst mal gar nicht so richtig klar, wer da Wolf und wer Geißlein ist. Der erste Kandidat entpuppt sich sofort als kleiner Gauner: Rydal (Oscar Isaac) ist rehäugig und sympathisch, zum Einstieg luchst er einer amerikanischen Touristin, mit der er im Restaurant sitzt, gleich einmal ein bisschen Geld ab.

Rydal arbeitet als Fremdenführer in Griechenland, zeigt amerikanischen Touristen die Akropolis - die Geschichte spielt in den Fünfzigern, als das noch ein relativ ruhiger Job war. Ein Paar ist ihm auf der Akropolis schon aufgefallen, er lernt die beiden nun im Lokal kennen - Chester (Viggo Mortensen) und seine junge Ehefrau Colette (Kirsten Dunst). Die beiden laden ihn zum Essen ein, er bedankt sich für die Freundlichkeit seiner Landsleute, indem er Chester beim Einkaufen übers Ohr haut.

Doch die Sache sieht bald anders aus. Rydal fühlt sich zu dem älteren Mann hingezogen, weil er ihn an seinen Vater erinnert, mit dem er nicht klarkam und der gestorben ist, als Rydal schon nach Griechenland gegangen war - aber Chester ist ein fieser Verführer, ein Mann, der hinter einer charmanten Fassade Eiseskälte verbirgt. Er hat die falschen Leute betrogen, und den Mann, der in der Nacht in seinem Hotelzimmer auftaucht, bringt er zwar eher aus Versehen um - aber Chester ist die Sorte Mensch, der erwartet, dass sich die Welt seinen Bedürfnissen unterordnet.

Richtig schön unangenehm, aber erst auf den zweiten Blick

Das ist der Plot für einen kleinen Psychokrimi, dass daraus ein richtig sehenswerter, spannender Film geworden ist, das liegt vor allem an der Besetzung: Viggo Mortensen ist so richtig schön unangenehm, aber erst auf den zweiten Blick; und Oscar Isaac macht etwas ganz ähnliches wie in "Inside Llewyn Davis" der Coen-Brüder: Er wirkt manchmal so verloren, dass man ihm seine Fehler verzeiht.

Sich mit dem Paar einzulassen, war jedenfalls keine gute Idee - Rydal steckt bald mittendrin in Chesters Schlamassel, versucht, ihn und seine Frau nun aus Athen rausschaffen, am besten noch bevor die Leiche im Hotel überhaupt gefunden wird.

Das Regiedebüt des Drehbuchautors Hossein Amini ("Drive", "47 Ronin") basiert auf einem Roman von Patricia Highsmith, der ganz klar in der Nachkriegszeit spielt - und genau da hat Amini die Geschichte klugerweise auch belassen.

"Die zwei Gesichter des Januars" ist ein richtiger Kostümfilm, mit viel Gefühl dafür, dass sich wandelnde Sitten auch tatsächlich mit einem sich wandelnden Lebensstil zu tun haben - diese Amerikaner, die da in Anzügen und adretten Kleidchen auf Reisen gehen, bewegen sich tatsächlich noch ganz anders als nachfolgende Generationen, für die Reisen zwar normal, dafür aber auch eine etwas prollige Angelegenheit wurde.

Im Sehnsuchtsland, dem alle Videoüberwachung fremd ist

Überhaupt hat Amini sehr viel Gespür für Atmosphäre in diese Inszenierung gesteckt, mit der er ein Europa entstehen lässt, das vertraut und fremd zugleich ist, eine entschwundene Welt - das Trio setzt nach Kreta über und landet dabei in Knossos, von der Sonne beschienen, aber menschenleer.

Es hat einen märchengleichen Reiz, wie die drei der tapsigen Fünfziger-Jahre-Fahndung entwischen, weil eine Flucht aus dem Visier einer modern vernetzten Polizei natürlich viel schwieriger wäre - ach, Amini entführt einen ins Sehnsuchtsland, dem alle Videoüberwachung fremd ist, in dem sich dafür aber alle zum Abendessen etwas Ordentliches anziehen, das viel übersichtlicher ist als unsere Gegenwart, und viel leichter zu verstehen. Doch Mord bleibt Mord.

The Two Faces of January , USA 2013 - Regie, Buch: Hossein Amini. Kamera: Marcel Zyskind. MitOscar Isaac, Viggo Mortensen. Studiocanal, 96 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 03.06.2014
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