Süddeutsche Zeitung

"Bruised" bei Netflix:Steh auf

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Alte Geschichte, toller Sportfilm: Halle Berry erzählt in ihrem Regiedebüt "Bruised" von einer MMA-Kämpferin, die es noch mal wissen will.

Von Doris Kuhn

Es ist eine alte Geschichte, aber es ist auch die beste Geschichte, vielleicht die einzige, die sich aus dem Sport im Kino zu erzählen lohnt: die Geschichte vom Hinfallen und Wiederaufstehen. Im Netflix-Drama "Bruised" liegt die Betonung auf dem Wiederaufstehen, denn das Hinfallen ist leicht, oder nicht einmal das, es geht nur schneller.

Im Fall der Hauptfigur Jackie (Halle Berry) liegt das Fallen vier Jahre zurück, da hatte sie ihren ersten Titelkampf. Bis zu dem Zeitpunkt war sie eine vielversprechende Mixed-Martial-Arts-Fighterin, danach nur noch das Gespött der Stadt. Denn sie bezog in der ersten Runde solche Prügel, dass sie über die Gitter aus dem Ring kletterte.

Inzwischen ist Jackie beim heimlichen Trinken angelangt, bei Putzjobs und Gleichgültigkeit. Sie lebt mit ihrem Ex-Manager Desi zusammen, eine Beziehung, die nur im Rausch funktioniert, sonst ist sie ein elendes Wechselspiel von Macht und Unterwerfung. Desi ist enttäuscht, dass Jackie kein Kampfgeld mehr einbringt, Jackie lebt längst jenseits von Enttäuschung. Aber in den Ring will sie auf keinen Fall wieder, ihre Angst ist zu groß.

Ruhm? Reichtum? Nein. Jackie will einfach nur "in Würde schlafen"

Der Film wurde von der Hauptdarstellerin inszeniert, er ist Halle Berrys erste Regiearbeit, angenehm zurückhaltend. Berry bleibt bei allem Drama unsentimental, sie weiß, dass wir wissen, wie solche Geschichten aussehen. Sie weiß auch, dass ein Film, nicht nur ein Kampf, durch Tempo gewinnt.

Halle Berry legt in diese Rolle alles hinein, was sie als Schauspielerin in ihren guten Filmen gezeigt hat, den Pragmatismus, die Sensibilität, keine Eitelkeit. Man sieht ihr Gesicht - durchaus für Schönheit bekannt, immerhin war sie Bond-Girl - über weite Strecken des Films nur blau oder grün geschlagen. Denn so sieht Jackie aus, nachdem sie den Kampf doch wieder aufgenommen hat. Ihr erster Einsatz ist in einem illegalen Fightclub, Desi lockt sie dorthin, russische Schlägerinnen provozieren sie, bis sie nicht mehr ausweichen kann. Sobald das passiert, sieht man, was Jackie kann. Man versteht, dass MMA eine andere Kunst ist als der Straßenkampf, raffinierter, interessanter. Dieses Können bleibt auch einem legalen lokalen Kampfmanager nicht verborgen, der zufällig anwesend ist.

Er quatscht Jackie in seinen Boxklub rein, er schickt sie zu seiner besten Trainerin. Die wiederum findet es nicht so toll, eine alte, selbstmitleidige, nach Zigaretten stinkende Frau aufzunehmen, die nur mit Wut kämpft, nicht mit Kondition. Das ist natürlich Bestandteil jeder klassischen Legende. Diese Frau wird die ersten Hürden nehmen und dann Disziplin wahren, die Trainerin wird sie kennen und lieben lernen. Das Ganze wird in Jackies Fall durch die Familie kompliziert, so taucht etwa ihr sechsjähriger Sohn auf, der bisher beim Vater lebte und jetzt von ihr großgezogen werden soll. Zum harten Training kommt damit harte Verantwortung. Man ist nicht pausenlos mit Jackie einverstanden, trotzdem hält man jede Sekunde zu ihr.

Der Film entwickelt sich in die Richtung, in die er hinmuss, also nach Atlantic City zur MMA-Meisterschaft, aber Halle Berry schenkt ihm unterwegs Wendungen, die im Sportfilm selten sind. Das hängt auch damit zusammen, dass sie ihn in der "Brick City" in Newark, New Jersey ansiedelt, in einer Umgebung, in der es hauptsächlich Schwarze und Latinos, Armut und Ziellosigkeit gibt. Damit ändern sich die Geschichten, mit denen die Menschen ihr Leben zusammenhalten. Hier geht es nicht um die weiße Mittelschicht, die auf Erfolg und Wohlstand hofft, hier geht es um Würde. "In Würde schlafen" ist etwas, das Jackie erreichen will, und wenn man am Ende sieht, wie sie an einer langen Ziegelwand vorbeiläuft, in ihrer Stadt, zwischen ihren Leuten, dann erkennt man an ihrer Haltung, dass das geklappt hat.

Bruised , USA 2021 - Regie: Halle Berry. Buch: Michelle Rosenfarb. Mit: Halle Berry, Sheila Atim. Netflix, 132 Minuten. Streamingstart am 24.11.2021.

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