Süddeutsche Zeitung

Ai Weiwei im SZ-Interview:Gezeichnet von der Gängelung

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Auf Instagram zeigt sich Ai Weiwei beim Baden an der Isar. Im ersten Interview nach Aufhebung des Reiseverbots in China wird deutlich: Der Eindruck eines befreiten Mannes täuscht.

Von Jörg Häntzschel

Es ist ja eigentlich eine wunderbare Geschichte. Ai Weiwei, der berühmte chinesische Künstler und prominenteste Dissident des Landes, darf nach vier Jahren endlich wieder reisen. Und das erste Kapitel war auch wie aus dem Bilderbuch. Am vergangenen Donnerstag landete er auf dem Münchner Flughafen, wo ihn seine in Berlin lebende Partnerin Wang Fen schon erwartete. Und sein sechsjähriger Sohn Ai Lao, der gleich auf dem Rollkoffer mitfahren durfte.

Das war so viel besser als die ewigen Skype-Gespräche zwischen Berlin und Peking. Die glückliche Familienzusammenführung ging auch am Wochenende weiter, mit Baden in der Isar, Museumsbesuch und Quatschmachen im Auto. Auf Instagram kann man die harmlosen Abenteuer der drei verfolgen.

Doch wenn man Ai Weiwei dann in der Suite im Hotel Bayerischer Hof besucht, wo die Familie zurzeit wohnt, ist sofort spürbar, was dieser Mann hinter sich haben muss und unter welchem Druck er steht. Ai spricht langsam und wiegt jedes Wort ab, bevor er es ausspricht. Und er lächelt kein einziges Mal.

Sie haben versprochen, ihn jederzeit wieder ins Land zu lassen

Er werde älter, meint er, da lasse die Konzentration und die Energie eben nach, das sei ganz normal. Es sei der Jetlag, sagt seine Assistentin. Und dann ist da ja noch die Hirnblutung, die er vor sechs Jahren erlitt, als ihn Polizisten verprügelten. Damals wurde er in München operiert, jetzt lässt er sich von denselben Ärzten hier wieder untersuchen.

Die chinesischen Behörden haben ihm seinen Pass ohne nennenswerte Bedingungen zurückgegeben. Sie haben versprochen, ihn jederzeit wieder ins Land zu lassen. Und schon in den vergangenen Monaten sei das Regime viel liberaler und großzügiger mit ihm umgegangen. Dennoch: ein freier, ein befreiter Mann sieht anders aus.

Als Zuhörer weiß man nicht, was beklemmender ist: seine Erzählungen von den dunklen Tagen der Haft oder die von seinen Versuchen, Menschlichkeit in einem unmenschlichen System zu finden.

Das ganze Interview mit SZ plus lesen:

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