Süddeutsche Zeitung

Steueroasen vor München:Ein Schlupfloch - legal, aber unfair

Lesezeit: 2 min

Wer sein Geld in München erwirtschaftet, soll auch seine Gewerbesteuer dort bezahlen. Alles andere ist unsoziale Gier, finden Leser.

"Bayerische Hausbau zieht in Steueroase" vom 16. März:

Am Tropf der Steueroptimierer

Die Verlegung des Firmensitzes der Bayerischen Hausbau von München (Gewerbesteuerhebesatz 490) nach Pullach (Gewerbesteuerhebesatz 260) ist ein Beispiel dafür, dass die grundgesetzlich verankerte Sozialverpflichtung des Eigentums gegenüber der Gier nach immer Mehr zunehmend in den Hintergrund tritt und das offensichtlich, je stärker und wohlhabender der Eigentümer bereits ist. Dabei wird das eindimensionale Denken der von Gier geleiteten Unternehmer (es gibt zum Glück auch noch andere, die eine Ausgewogenheit von Geben und Nehmen in ihrem Leitbild haben) leider vom Gesetzgeber unterstützt, der für die Wahl des Firmensitzes dem gesunden Menschenverstand widersprechende Freiheiten einräumt.

Die Gewerbesteuer soll dazu dienen, dass die Aufwendungen, welche die Gemeinde für die Infrastruktur aufbringen muss als Voraussetzung für eine erfolgreiche Wirtschaftstätigkeit der Unternehmen, von den Nutznießern der Infrastruktur erbracht werden. Mit anderen Worten: Unternehmen sollten dort Gewerbesteuer zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften, also wo die jeweiligen Mitarbeiter arbeiten. Wenn die Bayerische Hausbau beispielsweise das Projektmanagement für den Bau der 1500 Wohnungen auf dem ehemaligen Paulaner-Gelände in der Au ansiedelt in Pullach, so fallen die hohen Gewinne buchhalterisch in Pullach an. Zur Erwirtschaftung dieser Gewinne wird jedoch die von der Stadt München bezahlte Infrastruktur (Straßen, Lagerplätze, Energie- und Wasserversorgung) benötigt. Pullach kassiert die Gewerbesteuer, München bezahlt die für die Gewinnerzielung erforderliche Infrastruktur - ein Unding.

Ein weiterer Nebeneffekt der Möglichkeit der Verlegung des Firmensitzes in eine Gemeinde, deren Infrastruktur an der Erzielung des Firmengewinns allenfalls einen verschwindenden Anteil hat, ist, dass die Gemeinde bezüglich der Festlegung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer von den kapitalkräftigen, bezüglich ihres Gewinns von der Infrastruktur der Gemeinde weitgehend unabhängigen Firmen erpresst werden kann, da bei einer Erhöhung des Hebesatzes eine Verlegung des Firmensitzes weitgehend problemlos möglich ist, eine solche Verlegung aber für die Gemeinde mit erheblichen Einnahmeverlusten verbunden ist. Ein Beispiel dafür, wie unter derzeitigen Rahmenbedingungen die Gemeindepolitik nicht entsprechend demokratischen Spielregeln mit Abgleich der Interessen der Bürger/-innen erfolgt, sondern maßgeblich von den egozentrischen Interessen finanzstarker, nicht an die Gemeinde gebundener Steueroptimierer bestimmt wird.

Dr. Heiko Barske, Seefeld

Gerechtigkeitsbremser

Die Schörghubers, Thieles und Konsorten, alle profitieren sie über Gebühr von den Vorteilen der Stadt München. Sie sind aber nicht bereit, sich an den Kosten dieser Annehmlichkeiten zu beteiligen. Ich nenne das, zurückhaltend ausgedrückt, schamlos. Hier wäre die Gewerbesteuerreform ein kluger, respektvoller Ansatz auch zum Abbau sozialer Schieflagen. Verhindert werden diese und ähnliche Reformen zunehmend von einer Partei. Wann hört der Spuk mit dieser Fünf-Prozent-Partei endlich auf.

Hans Rohling, Haar

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