Süddeutsche Zeitung

Andrij Melnyk:Diplomat ohne Fingerspitzengefühl

Lesezeit: 3 min

Der Botschafter der Ukraine hat sich mit seiner Absage zum Konzert, zu dem ihn der Bundespräsident eingeladen hatte, in Deutschland keine Freunde gemacht. Ein SZ-Leser fordert sogar, ihn in seine Heimat zurückzuschicken.

"Der Notschafter" vom 28. März:

Der Zweifel der Sympathisanten

Unser Bundespräsident organisiert ein Benefizkonzert für die Ukraine, und Andrij Melnyk lehnt die Einladung unseres Staatsoberhaupts wegen russischer Solisten in diesem Konzert ab. Was ist das für ein "Diplomat"? Er erreicht leider genau das Gegenteil mit seinen ständigen Beschimpfungen und Forderungen an die deutsche Regierung, sodass auch Sympathisanten allmählich zweifeln.

Franz-Josef Müller, München

Gesandt, aber nicht geschickt

Die leidgeprüften Menschen der Ukraine haben einen besseren Interessenvertreter verdient als Andrij Melnyk. Als ukrainischer Botschafter mag er ein Gesandter sein, ein geschickter ist er ganz sicher nicht. Sein Habitus und seine Wortwahl gegenüber Andersdenkenden entsprechen meiner Meinung nach mehr dem eines Besatzungsoffiziers als dem eines Diplomaten.

Den Büchern des früheren israelischen Botschafters Avi Primor könnte er entnehmen, wie man trotz eigener emotionaler Betroffenheit auf schwierigem Terrain die Interessen seines Landes erfolgreich und sympathisch vertritt. Traurig auch, dass das von Annalena Baerbock geleitete Außenministerium anscheinend nicht den Mut aufbringt, Andrij Melnyk öffentlich zu widersprechen und an diplomatische Usancen zu erinnern.

Klaus Tiggemann, Rüscheid

Mentalität falsch eingeschätzt

Die Empörung des ukrainischen Botschafters Andreij Melnyk über das Musikprogramm der Matinee des Bundespräsidenten ist ein gutes Beispiel für den Kulturkampf, der da tobt. Gespielt wurden zwei Stücke des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov, die das Musikprogramm rahmten. Dann eine Polonaise von Chopin (dem Erzfeind jedes aufrechten Ukrainers) und Musikstücke von Tschaikowsky und Schostakowitsch (Erzrussen). Im Orchester spielte nur eine Ukrainerin (Violine, aber nicht die erste Geige). Als Solisten traten zwei Russen auf (die schon lange nicht mehr in Russland leben, "Kosmopoliten").

Es ist unglaublich, was sich der Botschafter da geleistet hat. Und dieser Mann will, dass wir für diesen Unsinn das Risiko der atomaren Vernichtung eingehen (etwa durch Einrichten einer Flugverbotszone).

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mit seiner Einladung an den ukrainischen Botschafter gezeigt, dass er dessen Mentalität falsch eingeschätzt hat. Er glaubte wohl, dass dies ein weltoffener Kulturmensch sei und nicht ein vernagelter Nationalist.

Wir sollten uns wirklich mehr um die ukrainische Militärmusik kümmern, da muss es doch mitreißende Märsche geben, die das schläfrige Publikum der bundespräsidialen Matinee aus ihren Träumen reißen und sie daran erinnern, dass Kultur kein Schlafmittel ist, sondern eine Waffe, die es scharf zur halten gilt. Den Gurt enger, den Helm fester schnallen!

Hartmut Lindner, Chorin

Zurückschicken

Nachdem er seit Monaten die deutsche Politik vor sich hertreibt, versucht er es jetzt mit der Kultur. Wann endlich weist jemand diesen unerträglichen ukrainischen Botschafter in die Schranken? Und das nicht mit ironisierenden Sprachspielen ("Der Notschafter"), Gustav Seibt'schen Kulturschwurbeleien oder devotem Diplomatiegeflöte à la Cerstin Gammelin ("Es ist schade, dass wir dieses Zeichen nicht gemeinsam senden können"), sondern mit einer klaren Aussage. Oder besser noch, indem man ihn wegen anhaltender unzulässiger Einmischung in innerdeutsche Angelegenheiten in die Ukraine zurückschickt, wo er sich ohnehin wohler fühlen dürfte als im russophilen Deutschland.

Winfried Möller, Staufenberg

Brücken bauen

Mit einem Konzert gegen den Krieg, mit einer internationalen Besetzung des Orchesters sowie internationalen Solisten inklusive der Kriegsbeteiligten Länder Ukraine, Russland, Belarus (passiv beteiligt) sollte nach meinem Verständnis die Botschaft nach Frieden, friedlichem Miteinander und dem Wunsch nach Gesprächen ausgehen. Das ist mit dieser internationalen Zusammensetzung auch gelungen. Ebenso ist mit dem Konzert ein Stop für den Beginn einer Hetzjagd auf russische Bürger in Deutschland musikalisch kommuniziert worden. Umso bedauerlicher ist die Reaktion des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk. Um an der Stelle kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Der Aggressor ist Russland, der Angreifer ist Russland, das Kriegsverbrechen ist eine Schandtat, die Tod und Leid bringt, das ist zu verurteilen mit aller möglichen Härte. Es ist dennoch nicht richtig, alle Russen Bastarde (wenn es die Twitter-Kommentare, wie im Bericht geschrieben, gibt) zu nennen, wie es der Herr Botschafter gesagt haben soll.

Es ist ein Putin-Krieg sowie ein Krieg mit 100 Prozent Unterstützung aller russischen Minister und Duma-Abgeordneten. Dazu kommt die einseitige Information, ausschließlich aus Putins Sicht. Das russische Volk ist von neutralen Informationen abgeschnitten, Informationsquellen wurden gekappt, verboten. Und wer es wagt zu demonstrieren, macht die unliebsame Bekanntschaft mit den Sonderkräften, allein der Anblick dieser aufmarschierenden Sondereinheiten ist angsteinflößend. Ich weiß, wovon ich spreche. Aber daraus abzuleiten, dass alle Russen Bastarde wären, halte ich für falsch. Diese undifferenzierte Äußerung schürt einen Hass, den wir alle nicht wollen. Auch im Zweiten Weltkrieg, in dem wir in Europa unsagbares Leid und Schande verursacht haben, waren nicht alle Deutschen gleichwohl Nazis, Verbrecher oder Bastarde.

Ein russischer Offizier hat kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs einem Teil meiner Familie das Leben gerettet, er hätte auch anders handeln können. Wann auch immer die Situation es erlaubt, wann auch immer zivile Menschen der Kriegsparteien aufeinandertreffen, helfen wir, Brücken zu bauen. Es ist nicht einfach, aber der Wille zum friedlichen Miteinander in unserem zivilisierten Deutschland ist eine Verpflichtung und ein Appell an die Menschlichkeit und unser aller Zukunft.

Ich bin seit 16 Jahren mit einer Russin verheiratet, in Moskau wurde die Ehe geschlossen, seit 16 Jahren leben wir in Bayern. Brücken bauen und ein tragendes Fundament schaffen - gehen wir daher gemeinsam, allen vielleicht aufkommenden Widerständen zum Trotz.

Manfred Jenschke, Gilching

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Quelle:
SZ vom 13.04.2022
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