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Studienausgaben als Werbungskosten:Steuergeschenk für Studenten soll ausfallen

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Im August entschied der Bundesfinanzhof, dass Akademiker Ausgaben für ihr Erststudium in einer späteren Steuererklärung absetzen können. Der Finanzausschuss will dieses Urteil nun aushebeln - mit einer seltsamen Begründung.

Malte Conradi

Bei Sven Lorenz lagerte die Hoffnung auf eine größere Steuerersparnis in der zweiten Schreibtischschublade von unten. Erst im Sommer hatte der Berliner Medizinstudent sie leergeräumt, seither sammelte er hier Quittungen über seine Studienkosten: Bibliotheksgebühren, Bücherkosten, Semesterabgaben. Die Ausgaben wollte Lorenz von der Steuer absetzen, wenn er in einigen Jahren als Arzt Geld verdienen würde.

Im August hatte der Bundesfinanzhof überraschend diese Möglichkeit eröffnet: Aufwendungen für eine erste Berufsausbildung oder ein Erststudium sollten in einer späteren Steuererklärung angegeben werden dürfen. Doch nun haben die Regierungsfraktionen im Finanzausschuss diese Entscheidung ausgehebelt: Auch in Zukunft sollen die Ausgaben für eine erste Ausbildung nicht absetzbar sein. Noch im November soll der Bundesrat über den Antrag abstimmen.

Der Finanzausschuss begründete seine Entscheidung damit, "dass die erste Berufsausbildung und das Erststudium als Erstausbildung der privaten Lebensführung zuzuordnen sind." Im Klartext: Das Erststudium dient in erster Linie der persönlichen Bildung. Diese Auffassung hat Tradition in der deutschen Rechtsprechung und führt zu Urteilen wie dem des Finanzgerichts Hamburg vor wenigen Jahren: "Aufwendungen für eine erste Berufsausbildung sind im Regelfall nicht hinreichend beruflich veranlasst."

Anders liegt die Sache bei einem Zweitstudium oder einem Studium nach einer Ausbildung. Hier können die Studenten schon lange ihre Ausgaben als Werbungskosten absetzen - "solange ein Konnex zur späteren Berufsausübung besteht", wie eine Sprecherin des Finanzministeriums präzisiert. Die Akademiker müssen also darlegen, dass ihr Studium zielgerichtet in ihren Beruf führt.

Ohne die Änderung hätten Studenten ihre Ausgaben in unbegrenzter Höhe als Verlustvortrag bei späterem Einkommen steuerlich geltend machen können. Laut Bundesfinanzministerium ging es um eine jährliche Summe von insgesamt etwas mehr als einer Milliarde Euro.

Kleine Ersparnis für manche Studenten

Für einige Studenten dürfte es dennoch eine kleine Ersparnis geben. Denn der Finanzausschuss entschied auch, dass es von 2012 an eine Erhöhung des sogenannten Sonderausgabenabzugs von 4000 auf 6000 Euro geben soll. Bis in diese Höhe können Studenten, die nebenher Geld verdienen, ihre Ausgaben dann beim Finanzamt absetzen. Wer aber kein oder nur ein geringes Einkommen hat und ohnehin keine Steuern zahlt, geht leer aus. Ein weiterer Nachteil: Sonderausgaben können nur in dem Jahr geltend gemacht werden, in dem sie anfallen. Anders als Werbungskosten können sie also nicht angespart und auf ein späteres Einkommen angerechnet werden.

Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler kritisiert die Entscheidung der Koalitionsfraktionen scharf: "Diese Hauruck-Aktion wird viele Studenten schwer verunsichern." Der Steuerzahlerbund werde das fertige Gesetz "sehr kritisch" prüfen und stehe wohl auch zur Unterstützung einer Musterklage dagegen zur Verfügung, sagt Klocke.

Dass es weitere Klagen geben wird, davon geht auch Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk aus. "Wir rechnen damit, dass die Sache bis vor das Bundesverfassungsgericht geht. Das kann Jahre dauern." Sein Rat bis dahin: Belege sammeln. "Vielleicht gibt es ja doch irgendwann eine positive Überraschung." Allzu sehr hofft Grob darauf allerdings nicht. Seine Befürchtung ist, dass der Finanzminister sich das Geld anderswo von den Studierenden zurückholen würde. "Da beißt sich die Katze in den Schwanz."

Medizinstudent Sven Lorenz jedenfalls hat genug vom Quittungensammeln. Er will die Schublade künftig wieder anders nutzen: für seinen Schokoladenvorrat.

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SZ vom 28.10.2011
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