Süddeutsche Zeitung

Arbeitspsychologie:Wer seine Kollegen mag, hat schon viel erreicht

Lesezeit: 1 min

Von Sebastian Herrmann

An manchen Tagen melden sich die Zweifel lauter als sonst. Die Zweifel daran, ob der Weg der richtige ist, ob nicht ein ganz anderer Beruf für mehr Zufriedenheit gesorgt hätte. Und wäre es nicht endlich an der Zeit, etwas zu wagen und wenn schon nicht ein neues Leben, dann doch wenigstens ein neues Arbeitsleben zu beginnen?

Ach was, erstens handelt es sich bei solchen Zeilen nur um das übliche Geschwätz der normal frustrierten Bürobesatzungen; und zweitens - hier kommt die Wissenschaft ins Spiel - bestimmen Faktoren die eigene Arbeitszufriedenheit wesentlich, die nichts, aber auch gar nichts mit der Berufswahl zu tun haben: Psychologen um Niklas Steffens von der University of Queensland in Brisbane, Australien, zeigen das in einer umfangreichen Studie.

Für das psychische und auch das physische Wohlergehen ist demnach besonders das soziale Miteinander in Betrieben und Abteilungen relevant und weniger die konkrete Tätigkeit. Wer seine Kollegen mag, der hat schon ziemlich viel erreicht ( Personality and Social Psychology Review, online).

Wir-Effekt wirkt auf Gesundheit, Leistung und Motivation

Bei der Untersuchung handelt es sich um eine sogenannte Metastudie. Das heißt, die Wissenschaftler haben bereits veröffentlichte Arbeiten zusammengetragen und neu ausgewertet. 58 Studien mit fast 20 000 Teilnehmern sind in die Auswertung eingeflossen, die zeigt: Wo ein ausgeprägtes Wir-Gefühl in der Firma existiert, geht es den Angestellten nicht nur psychisch, sondern auch körperlich besser.

Auch der Arbeitgeber profitiert: Leistung und Motivation der Schicksalsgemeinschaft im Büro steigen bei hoher Identifikation mit der Gruppe ebenfalls. Der positive Wir-Effekt war - wenig überraschend - für das seelische Wohlbefinden stärker ausgeprägt als für das physische.

Die segensreiche Wirkung hoher Identifikation mit den Kollegen zeigt sich mutmaßlich vor allem im kleinen Umfeld: In der eigenen Abteilung oder der Arbeitsgruppe ist es besonders wichtig, ein gutes Miteinander zu leben. Stimmt die Chemie mit den engen Kollegen, dann lässt sich ein Befremden, etwa wegen der Ausrichtung der ganzen Firma, eher aushalten.

Eine Überraschung fanden die Forscher in ihren Daten: Je mehr Frauen sich in den untersuchten Teams befanden, desto schwächer war der Zusammenhang zwischen Gruppen-Identifikation und Wohlbefinden. Warum das so ist? Darüber können die Psychologen allenfalls spekulieren.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2016
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