Süddeutsche Zeitung

Medizin:Welche Medikamente helfen gegen Sars-CoV-2?

Lesezeit: 3 min

Auf dem Weg durch die Zelle gibt es viele Möglichkeiten, das Coronavirus zu stoppen. Ein Überblick.

Text: Felix Hütten, Infografik: Sarah Unterhitzenberger

Im Kampf gegen das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 forschen weltweit Arbeitsgruppen an möglichen Wirkstoffen, die erkrankten Menschen helfen sollen. Neben der Behandlung von Symptomen wie etwa einer Lungenentzündung verfolgen antivirale Medikamente einen anderen Ansatz.

Mit ihnen soll es gelingen, den Vermehrungszyklus des Virus zu unterbrechen und damit den Erreger zu töten. Um besser zu verstehen, wie genau mögliche Medikamente wirken könnten, lohnt sich ein detaillierter Blick auf das Virus.

Sars-CoV-2 gelangt über die Schleimhäute des Menschen in den Körper und wütet insbesondere in der Lunge. Um sich fortzupflanzen, befällt das Virus menschliche Zellen und schmuggelt sein eigenes Erbgut unter den genetischen Code der Wirtszellen.

Diese werden durch das Virus genetisch so umprogrammiert, dass sie neue immer neue Viren herstellen, bis sie selbst zerstört werden. Man kann sich Viren wie hungrige Wanderer vorstellen, die an der Tür eines Gasthofs klopfen und um eine warme Suppe bitten.

Um dem Wirt, also der Zelle, ihre vermeintliche Notsituation (Hunger!) vorzugaukeln, nutzen Viren Oberflächenproteine, bei Coronaviren sogenannte S- oder Spike-Proteine. Die S-Proteine docken im Fall von Sars-CoV-2 an ein Eiweiß auf der Zelle an, das ACE2-Rezeptor heißt.

Camostat als Eintritts-Hemmer

Damit das Virus aber in die Zelle hinkommt, braucht es noch einen weiteren Baustein, die TMPRSS2-Protease. Dies ist ein Protein auf der Zellmembran, das das S-Protein des Virus wie einen Bleistift anspitzt, sodass die Membran des Erregers mit der Körperzelle verschmelzen kann.

Dieser Spitzer, die TMPRSS2-Protease, steht im Fokus der Forschung. Könnte man die Protease hemmen, sodass das Virus nicht an die Zelle heran- und damit auch das Erbgut nicht hineinkommt? Eines dieser sogenannten Eintritts-Hemmer ist das Medikament Camostat, das derzeit in klinischen Studien auch an Covid-19-Patienten getestet wird.

Eine weiteres Medikament gegen das Virus könnte Chloroquin sein. Das Mittel verändert in bestimmten Bereichen der Zelle den pH-Wert, sodass das Virus bei seiner Vermehrung gestört wird. Der genaue Mechanismus ist unbekannt. Zwar waren die Mittel im Labor erfolgreich, erste klinische Studien mit dem eng verwandten Hydroxychloroquin an Covid-19-Patienten brachten bislang allerdings eher ernüchternde Ergebnisse.

Remdesivir soll die Vermehrung der Viren hemmen

Gelingt es dem Virus hingegen, weiter in die Zelle hineinzukommen, hat es nur noch eines im Sinn: sich zu vervielfältigen. Dazu hat es sein Erbgut im Rucksack mitgebracht, die sogenannte Ribonukleinsäure, kurz RNA. Für die Vervielfältigung braucht das Virus eine Art Kopiermaschine, die RNA-Polymerase.

Die große Frage lautet, ob es möglich ist, der Kopiermaschine den Stecker zu ziehen. Ein heißer Kandidat hierfür ist das Medikament Remdesivir.

Neben dem Kopieren des Erbguts steht noch eine weitere Aufgabe an: Aus den vielen Kopien müssen neue Viren entstehen, die dann weitere Zellen befallen. Damit das gelingt, werden lange Proteinketten in Einheiten zerschnitten, um daraus funktionierende Proteine, also quasi Virus-Baumaterial zu erstellen.

Dieses Zerschneiden gelingt mit Proteasen, die sich, na klar, hemmen lassen. Eine Möglichkeit sehen Experten derzeit im eigentlich für das HI-Virus vorgesehenen Kombipräparat Lopinavir-Ritonavir, auch unter dem Handelsnamen Kaletra bekannt.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Entwickler von Medikamenten, die sich auf die Hemmung der Hauptprotease von Sars-CoV-2 konzentrieren. Chinesischen und deutschen Forscher ist es gelungen, diese zu entschlüsseln, wie sie im Fachmagazin Science berichteten. Die Hauptprotease mit dem Namen Mpro könnten, so die Hoffnung, eines Tages sogenannte Alpha-Ketoamid-Hemmer blockieren und damit die Replikationen stören.

Weitere Wirkstoffe, die derzeit als mögliche Kandidaten gelten, sind:

  • Ribavirin, ein Nukleosid-Analogon, das während der Vermehrung fehlerhafte Teile in das Virus-Erbgut einbaut.
  • der Protease-Inhibitor Darunavir und der Booster Cobicistat, die gemeinsam die Virusvermehrung hemmen.
  • der Magensäureblocker Famotidin, der die für die Virus-Replikation notwendige Papain-like-Protease (PLpro) hemmt.

Ganz am Schluss, wenn keine Substanz den Vermehrungszyklus stören konnte, verlassen die neuen Viren die Zelle und suchen sich weitere Opfer, an deren Tür sie höflich anklopfen, und, geht sie nur einen Spalt weit auf, nichts als Unheil anrichten. Bislang hilft keines der Mittel dagegen, zumindest nicht beim Menschen. Doch das könnte sich bald ändern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4900115
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.04.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.