Süddeutsche Zeitung

Corona:Mehr Impfstoff für Afrika

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Es wäre unmoralisch, Kinder und Jugendliche in Deutschland auf Kosten des medizinischen Personals in Entwicklungsländern massenhaft zu impfen. Wichtig ist aber, die Schulen zu sicheren Orten zu machen.

Kommentar von Hanno Charisius

Es sind noch längst nicht alle Erwachsenen in Deutschland geimpft, ein Großteil hat noch nicht einmal einen Termin in Aussicht, da werden schon Pläne für Kinder und Jugendliche gemacht. Es gibt gute Gründe, auch die jüngeren Altersgruppen zu impfen. Und einen gewichtigen dagegen.

Auch Kinder können schwer an Covid-19 erkranken und mitunter lange darunter leiden ("Long Covid") - erster Grund für eine Impfung. Das passiert selten, doch es passiert. Dennoch wird man sehr genau abwägen müssen, wie groß der Nutzen für die Kinder ist, oder ob die Impfung vor allem dem Gemeinschaftsschutz dient - zweiter Grund. Es gibt Kinder, die aufgrund von Vorerkrankungen durch eine Corona-Infektion besonders gefährdet sind. Für sie ist eine Impfung ohne jede Frage wichtig.

Doch Kinder in Deutschland massenhaft zu impfen, während in anderen Ländern noch nicht einmal die Menschen geschützt werden können, die jeden Tag bei der Behandlung von schwerkranken Covid-19-Patienten ihr Leben riskieren, wäre eine moralische Entgleisung.

Es ist wichtig und richtig, Impfstoffe auch für Kinder bereitzustellen. Aber impfen, um die Schulen im Herbst sicherer zu machen oder auch nur, um die Urlaubsreise irgendwie unkomplizierter über die Bühne zu bringen, ist falsch. Es würde die ohnehin bestehende Ungleichheit bei der globalen Verteilung von Impfstoffen endgültig ins Unerträgliche verschieben.

Man kann natürlich mit den Schultern zucken: Wasser, Nahrung, Reichtum - alles ungleich verteilt auf dem Planeten, logisch, dass es beim Impfstoff nicht anders ist. Und trägt es wirklich groß zur Impfgerechtigkeit bei, wenn ein paar Millionen Dosen medizinischem Personal auf dem afrikanischen Kontinent gegeben werden statt Schülerinnen und Schülern?

Nein, global gerecht wird die Aufteilung der Impfstoffe dadurch noch lange nicht. Aber die momentan noch begrenzten Vakzin-Mengen werden immerhin verantwortungsbewusster eingesetzt.

Wer auf Impfungen von Schülerinnen und Schülern verzichtet, muss aber auch alles Zumutbare tun, um die Schulen zu sicheren Orten zu machen. Es kann nicht sein, dass diese Bevölkerungsgruppe weiter viel stärker durch die Pandemie beeinträchtigt wird als die meisten anderen.

Wie das geht, steht schon lange fest. Die Fallzahlen müssen weiter deutlich sinken. Wer bei einer Wocheninzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner erwägt, die Maskenpflicht aufzuheben, handelt verantwortungslos und untergräbt das Vertrauen in die Entscheidungsträger. Wenn die Fallzahlen insgesamt niedrig sind, ist auch das Ansteckungsrisiko in den Schulen gering. Lüften, Luftreiniger, Hygieneregeln, Masken und regelmäßige Tests senken das Risiko weiter - bis es genug Impfstoff für alle gibt.

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