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Ernährung:Vier politische Maßnahmen, die Erfolg versprechen

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Aktuell wird eine Steuersenkung auf Obst und Gemüse diskutiert. Wie sinnvoll ist dies - und was könnte auf dem Weg zu besserer Ernährung noch helfen?

Von Berit Uhlmann

"Um Menschen eine gesündere Ernährung zu ermöglichen, kann die Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sehr viel tun", sagt Public-Health-Forscher Peter von Philipsborn. Dabei seien vier Strategien besonders wichtig und aussichtsreich.

Bessere Kita- und Schulverpflegung

Ernährungsgewohnheiten werden in der Kindheit geprägt. "Damit besteht ein klarer Auftrag an die Politik, die Weichen richtig zu stellen", sagt Philipsborn. Kinder müssten dabei erleben, dass gesunde und nachhaltige Ernährung auch attraktiv und schmackhaft sein kann. Wie das in Schulen und Kitas gelingen kann, hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung schon vor Jahren ausgearbeitet. Doch noch immer sind ihre Qualitätsstandards an den meisten Bildungseinrichtungen nicht umgesetzt. Nur einige Bundesländer haben die Standards für einen Teil der Jahrgangsstufen verpflichtend eingeführt. Und selbst dort mangele es zum Teil an der Finanzierung und der Kontrolle der Umsetzung, so Philipsborn. Es sei dringend nötig, dass die Empfehlungen flächendeckend beherzigt würden.

Gesundheitsförderliche Preisgestaltung

Seit der Krieg in der Ukraine auch die Preise für Lebensmittel in die Höhe treibt, werden Forderungen laut, die Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel komplett zu streichen. Dabei dürfte es in erster Linie um die finanzielle Entlastung der Bürger gehen. Doch tatsächlich könnten derartige Steuersenkungen auch im Hinblick auf die Gesundheit sinnvoll sein. Sie sind Philipsborn zufolge ein Anreiz für Verbraucherinnen und Verbraucher, eher zu gesunden Produkten zu greifen, und erleichterten auch Menschen mit geringerem Einkommen diese Wahl. Allerdings sei aus gesundheitlicher Sicht nicht nachzuvollziehen, dass Lebensmittel wie Fleisch und Zucker weiterhin vom günstigeren Mehrwegsteuersatz von sieben Prozent profitieren. Wissenschaftsverbände fordern schon lange Preiserhöhungen für wenig gesundheitsförderliche Produkte. Diese könnten zugleich die Steuersenkungen für das gesunde Essen finanzieren.

Werbebeschränkungen zum Schutz von Kindern

"Kinder zwischen drei und zehn Jahren sehen in Deutschland im Schnitt pro Tag 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel", erläutert Philipsborn. Das bedeute eine enorme Prägung. Zudem sei das Ungleichgewicht groß. So würden allein für Süßwarenwerbung in Deutschland pro Jahr rund 900 Millionen Euro ausgegeben. Dagegen waren im Bundeshaushalt 2021 nur rund 25 Millionen Euro für Maßnahmen zur Förderung gesunder Ernährung und die Verbraucherinformation vorgesehen. Da sich freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie zum Schutz der jungen Generation als komplett wirkungslos erwiesen hätten, sei die Politik gefragt, argumentiert Philipsborn. Tatsächlich plant die Ampelkoalition, jene Werbung zu verbieten, die Kindern Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt schmackhaft machen will. Noch sind allerdings keine Details bekannt.

Anreize für neue Rezepturen

Schließlich fordert Philipsborn, Anreize für die Lebensmittelwirtschaft zu setzen, damit sie ihre Rezepturen ändert. Lebensmittelkennzeichnungen wie der aktuell nur auf freiwilliger Basis eingeführte Nutri-Score könnten Hersteller zu solchen Schritten motivieren. Wirkungsvoll könnten auch Steuern sein - etwa eine Softdrink-Abgabe, deren Höhe nach dem Zuckergehalt gestaffelt ist.

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