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Absetzbarkeit von Ausbildungskosten:Logisch ist diese Entscheidung nicht

Bücher, Semesterbeiträge, WG-Miete: Ein Studium oder eine Lehre kosten. Von der Steuer lässt sich aber in der Regeln nur ein Teil dieser Ausgaben absetzen. Die Karlsruher Richter haben die Praxis bestätigt - leider mit blumigen Worten statt echten Argumenten.

Kommentar von Wolfgang Janisch

In den Worten, mit denen das Bundesverfassungsgericht die steuerliche Benachteiligung der Erstausbildung zu rechtfertigen versucht, klingt eine leicht romantisierende Ganzheitlichkeit durch. Die erste Ausbildung, sei es Lehre oder Studium, vermittle nicht nur Berufswissen, sondern präge die Person in einem umfassenden Sinne, biete ihr die Möglichkeit zur Entwicklung von Begabungen und Fähigkeiten - auch solchen, die nicht für den Beruf nötig seien.

Der Beruf als Markstein auf dem Weg zur Menschwerdung? Die Wahrheit ist profaner. Die Ausbildung ist eine Investition ins berufliche und auch finanzielle Fortkommen. Nach den Grundsätzen des Steuerrechts müssten die Kosten eigentlich als Werbungskosten steuerlich absetzbar sein. Und zwar deshalb, weil schon so vieles steuerlich absetzbar ist, gerade auch in der Fort- und Weiterbildung. Damit hat sich der Gesetzgeber selbst in Zugzwang gebracht, denn das wichtigste Gesetz im Steuerwesen ist die Gleichbehandlung.

Der Bundesfinanzhof, der beim Verfassungsgericht die Absetzbarkeit von Ausbildungskosten durchsetzen wollte, hat daher die Logik auf seiner Seite: Warum die Zweitausbildung dem beruflichen Fortkommen dienen soll, die Erstausbildung aber der Persönlichkeitsbildung, erschließt sich auch nach Lektüre der blumigen Karlsruher Argumente nicht. Es sei denn, man hielte den drohenden Steuerausfall von gut einer Milliarde Euro für ein Argument. Aber das Geld hat Karlsruhe früher nie geschreckt.

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Quelle:
SZ vom 11.01.2020
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