Süddeutsche Zeitung

Schule:Und jetzt: langweilen und Filme schauen

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Von Matthias Kohlmaier

Nach Schlusspfiff strengt sich doch auch kein Fußballer mehr wirklich an. Die Arbeit ist erledigt, jetzt Trikottausch, winken in die Fankurve. So ähnlich fühlen sich auch Schüler in den letzten Wochen vor den Sommerferien: Die Arbeit ist getan, der Entspannungsmodus beginnt.

Überlicherweise ist das so, sobald der liebste Schluss aller Schüler erreicht ist, der Notenschluss. Danach werden keine Zensuren mehr erhoben, der Stress ist vorbei. Daran gibt es alle Jahre wieder dieselbe Kritik: Die Kinder haben doch eh so viele Ferien, und dann lernen die nach Notenschluss auch nichts mehr! Aber ist das tatsächlich so, faulenzen Schüler und mit ihnen die Lehrkräfte die letzten Tage vor den Ferien nur noch? Und könnte man nicht einfach das ganze Schuljahr über Zensuren erheben, um den Spannungsabfall zu vermeiden?

Zuerst einmal gibt es den Begriff Notenschluss eigentlich gar nicht, jedenfalls steht er in keinem Schulgesetz. Bis wann Noten gemacht werden, das entscheidet jede Schule selbstständig. Weil es längst Computerprogramme gibt, die das Noteneintragen für Lehrkräfte deutlich vereinfachen, geht die Tendenz seit Jahren dahin, dass sich der Notenschluss immer näher an die Sommerferien heranschiebt. Die potenzielle Faulenzerzeit wird also kürzer.

Die, je nach Schule, ein bis zwei Wochen vor den Ferien verbringen Lehrkräfte und Schulleitungen dabei mit Notenkonferenzen und finalen Entscheidungen, wer nun welche Zensur bekommt, das Schuljahr eventuell wiederholen muss. Um diese Debatten und den zugehörigen organisatorischen Aufwand bewältigen zu können, braucht es ein wenig Zeit. Die aber auch ganz ohne weitere Prüfungen im Unterricht sinnvoll genutzt werden kann.

"Das geht vom Wandertag über Projekttage und Studienfahrten bis zum in die jeweiligen Unterrichtsthemen eingebetteten gemeinsamen Kinobesuch", sagt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands und selbst Leiter eines Nürnberger Gymnasiums. Er habe nicht den Eindruck, dass sich die Schüler während dieser Tage in der Schule langweilten. Und "Larifari", wie oft kritisiert, gäbe es vor den Ferien sicher auch nicht.

Arbeiten an der Lehrer-Schüler-Beziehung

Stattdessen, findet Meidinger, sei die Zeit ohne Notenstress wichtig, um sich um Dinge zu kümmern, die während des Schuljahres zu kurz kämen. So könnten bei Projekttagen endlich mal von den Schülern häufig selbstgewählte Aufgaben in Ruhe bearbeitet werden - ohne dass nach 45 Minuten der Gong das Projekt unterbricht. Darüberhinaus bieten die Wochen ohne Tests und Abfragen auch Chancen zur sozialen Entwicklung: "Viele genießen die notenfreie Zeit, in der es die Möglichkeit gibt, am Klassenklima und der Lehrer-Schüler-Beziehung zu arbeiten", sagt Meidinger.

Wie Fußballer also nach dem Schlusspfiff nochmal im Kreis zusammenkommen und sich vom Trainer ein paar warme Worte sagen lassen, Zusammenhalt beschwören, so ähnlich funktioniert es im Idealfall auch am Ende des Schuljahres. Beim Ausflug ins Planetarium lernen die Jugendlichen vielleicht die Physiklehrerin von einer lockeren Seite kennen, bei der Studienfahrt nach Weimar klingt der Deutschlehrer plötzlich nicht mehr so staubig wie im Klassenzimmer, sondern begeistert mit seinem Wissen über Schiller, Goethe und darüber, wo es die beste Bratwurst gibt. Am Ende mögen und verstehen sich alle ein bisschen mehr, das zahlt sich im folgenden Schuljahr aus.

Ach ja, und dann war da noch der Lehrer, an den sich so ziemlich jeder erinnert, der mal eine Schule besucht hat. Der Lehrer, der gerne in den Tagen vor den Sommerferien gedroht hat: "Ich kann deine Note bis zum letzten Tag noch ändern!" Erstens stimmt das nicht, sagt Lehrerpräsident Meidinger. Maximal die Verhaltensbeurteilung auf dem Zeugnis könne noch kurzfristig angepasst werden. Und zweitens: Wenn ein Lehrer bis Schuljahresende mit schlechten Noten drohen muss, um die Klasse halbwegs im Griff zu haben, ist er vermutlich auch sonst nicht der allerbeste in seinem Job.

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