Prämierte Hochschulen:Ehre für die Lehre
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Attraktive Seminare, gute Betreuung - oder einfach nur ein Sitzplatz im Hörsaal: Studentenfreundliche Universitäten wie die TU München sind prämiert worden. Aber nach welchen Kriterien?
Varinia Bernau
Daniel Fallon ist ein Mann mit Erfahrung. Er hat in der Psychologie geforscht und gelehrt, war Dekan an mehreren amerikanischen Unis und Mitglied in wissenschaftlichen Beiräten. Doch nun steht er, wie er selbst sagt, vor einem Rätsel: Wie kann man die Qualität der Lehre an einer Hochschule messen? Zwei Tage hat er Zeit und einen dicken Aktenordner zur Stütze - sowie: 13 Vorträge von jeweils 20 Minuten Dauer, ein paar Nachfragen und eine etwa einstündige Diskussion mit den anderen 13 Jurymitgliedern. Dann muss das Rätsel gelöst sein: Zehn Hochschulen sollen an diesem Montag die mit je einer Million Euro dotierte Auszeichnung für exzellente Lehre erhalten.
Der Wettbewerb, ausgelobt vom Stifterverband der deutschen Wissenschaft und den 16 Kultusministern der Länder, ist eine Art Miniaturausgabe des Exzellenzwettbewerbs für die Forschung - mit dem Ziel, die staatlichen Hochschulen auch zu Spitzenleistungen in der Lehre anzuspornen. Mehr als 100 Einrichtungen haben sich vor etwa einem Jahr mit ihren Konzepten beworben: fast die Hälfte aller Fachhochschulen und fast zwei Drittel aller Universitäten.
Das nun vergebene Preisgeld kommt zur einen Hälfte vom Stifterverband, zur anderen von den Ländern, in denen die Siegerhochschulen ihren Sitz haben. In den kommenden Monaten sollen sie es nutzen, um die Ideen umsetzen, die es bislang vor allem auf dem Papier gibt. Und sie sollen regelmäßig zusammenkommen, um positive Erfahrungen zu teilen - und um bei negativen Erlebnissen gemeinsam nach neuen Wegen zu suchen.
An der Universität Kaiserslautern misst man die Qualität der Lehre unter anderem an den Kommentaren, die die Studenten am Semesterende zu jedem ihrer Dozenten abgeben. "Schickt den bloß nicht in Rente!" oder "Hat sich bei zwei Vorlesungen von seinem Hiwi vertreten lassen, hätte er immer machen sollen!" ist da zu lesen - und zwar für alle im Intranet.
Verschreckte Dozenten
"Die Dozenten, die neu an unsere Hochschule kommen, sind immer etwas verschreckt, aber um genau diese Transparenz geht es uns", sagt Vizepräsident Lothar Litz nun vor der Jury. Und dass die Studenten sich auch selbst in die Lehre einbrächten: Ältere aus Afrika stammende Studenten versehen Vorlesungen mit französischen Untertiteln und Skripts mit fachlichen Ergänzungen, um den Jüngeren den Einstieg zu erleichtern.
Für Grundlagenvorlesungen in Mathematik, in denen oft mehrere hundert Studenten, auch anderer Fächer wie Wirtschaftswissenschaften, sitzen, gibt es Studenten, die bei kleineren Problemen selbst helfen und bei größeren den Kontakt zum Professor herstellen.
Expertise von außen
"Unsere Erfahrung zeigt, dass wir die meisten Studenten in den ersten Monaten verlieren. Da müssen wir ansetzen", sagt Litz. Die Universität Bielefeld holt sich die Expertise für die Lehre von außerhalb: Man halte Kontakt zu internationalen Lehrforschern, berichtet Andrea Frank, die eine vor wenigen Jahren gegründete Beratungsstelle zu Studium, Lehre und Karriere leitet. So werde eine Mitarbeiterin des "Center for Teaching Ressources" in Virginia zwei Monate lang an der Reformuniversität in Ostwestfalen arbeiten. Und Studenten in Auslandssemestern berichten in Blogs, wie andere europäische Hochschulen den Bologna-Prozess bewältigen.
Die elf Fachhochschulen, die vor einer zweiten Gutachtergruppe antreten, legen pragmatischere Konzepte vor: Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg etwa will die Lehre an die Bedürfnisse der Studenten anpassen, die sich mittlerweile per SMS zu Lerngruppen verabreden und Vorlesungsskripte nur noch in Form von PDF-Dateien nutzen: Zu seinen Vorlesungen in Technikjournalismus verschickt etwa Marco Winzker schon heute eine Art Kreuzworträtsel auf die Mobiltelefone und Laptops seiner Studenten, so dass sie auch unterwegs testen können, welche Grundbegriffe hängen geblieben sind. Die Fachhochschule Gelsenkirchen hat Strategien entwickelt, um die Kinder aus türkischen Einwandererfamilien für ein Studium zu gewinnen, statt sie mit Integrationskursen zu verschrecken.
Enttäuscht, sagt der emeritierte Stanford-Professor Hans Weiler, sei er gewesen, dass nur wenige Universitäten die Berufungsverfahren nutzen, um sich gute Forscher ins Haus zu holen, die auch gute Lehrer sind. Und enttäuscht - das ist aus seinem Stirnrunzeln abzulesen, als etwa die Universität Göttingen vorspricht - ist er auch, dass in manchem Konzept mehr Rhetorik als Inhalt steckt. Von dem in Göttingen angedachten "Lehr- und Lernzertifikat" bleibt nach vielen bohrenden Fragen, die die Jurymitglieder immer gereizter formulieren, nicht viel mehr als das, was an anderen Universitäten längst Alltag ist: Studenten im dritten oder vierten Semester formulieren eine Forschungsaufgabe und lösen sie, betreut von einem Professor.
Viele wünschen sich nur einen Sitzplatz im Hörsaal
Dirk Häger, einer von zwei Studenten in der Jury, hat anfangs viele Konzepte aussortiert, weil er die darin formulierten Ideen nicht für exzellent, sondern für selbstverständlich hielt. Einführungswochen für Erstsemestler zum Beispiel. Dann hatte er alle Anträge durch - und die Erkenntnis gewonnen, dass er wohl zu streng war. Häger untersucht derzeit in einer Doktorarbeit, wie sich Medizinstudenten für eine bessere Lehre einbringen können. Die Fachschaften an mehr als 30 Hochschulen hat er dazu befragt. "Viele wünschen sich ganz banale Dinge wie einen Sitzplatz im Hörsaal", beschreibt er die studentischen Bedürfnisse. Auch deshalb glaubt David Krebs, Jurastudent und ebenfalls Jurymitglied, dass dieser Wettbewerb nur begrenzt wirken kann: "Der beste Prof kann nur wenig verbessern, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen."
Es sei bezeichnend, dass die Politik 1,9 Milliarden Euro für den Exzellenzwettbewerb in der Forschung, aber nur zehn Millionen für den in der Lehre gebe. Forschungserfolg bringe eben Anerkennung - dem Professor mit seinen Publikationen ebenso wie dem Politiker, der sich damit in In- und Ausland brüsten kann. "Die Erfolge guter Lehre zeigen sich frühestens in zehn, zwanzig Jahren, wenn die einstigen Studenten sich in Unternehmen einbringen und damit auch Arbeitsplätze sichern", sagt Krebs. Das Rätsel also, wie man Qualität in der Lehre messen kann, ist noch nicht gelöst.
Ausgezeichnet wurden am Ende sechs Universitäten und vier Fachhochschulen. Dies sind die Universitäten Aachen, Bielefeld, Freiburg, Kaiserslautern, München (TU) und Potsdam. In der Gruppe der Fachhochschulen wurden Bremerhaven, Hamburg, Köln und Potsdam prämiert.