Süddeutsche Zeitung

Studie zu Ganztagsschulen:Unterm Strich gar nicht so teuer

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Zwei Milliarden Euro investiert der Bund in Ganztagsschulen. Ein Gutachten zeigt nun: Ein Teil der Kosten könnte durch höhere Steuereinnahmen wieder reinkommen.

Von Bernd Kramer

Wie soll das zu schaffen sein? Am Morgen packt das Kind das Pausenbrot ein, setzt das Kind den Tornister auf, geht zur Schule, lernt lesen, schreiben, rechnen. Und steht nur ein paar Stunden später wieder hungrig vor der Tür. Ein Vollzeitjob? Für viele Mütter und Väter wäre das kompliziert, solange die Kinder nur den halben Tag im Unterricht sind.

Die große Koalition will daher die Betreuung massiv ausbauen - nach den Kitas nun an den Schulen. Von 2025 an soll jedes Kind einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz an der Grundschule haben. Eine Million zusätzliche Betreuungsplätze wären nötig, schätzt Familienministerin Franziska Giffey (SPD). Zwei Milliarden Euro stellt der Bund für den Ausbau bereit. Viel Geld. Dabei schätzen Experten, dass das nicht einmal reichen wird. Auch die Länder und Kommunen fordern höhere Summen. Wie teuer wird es? Und wer bezahlt es?

Im Ringen um die Finanzierung hat Familienministerin Giffey am Montag ein neues Gutachten vorgestellt. Die Botschaft: Der Ausbau könnte sich zu einem guten Teil selbst tragen. Die Kosten würden unterm Strich gar nicht so hoch ausfallen.

"Ganztagsbetreuung hat auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen"

Das ergibt sich aus den Berechnungen der Ökonominnen und Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW). Die Forscher schätzten, wie sich die Erwerbstätigkeit von Müttern ändern würde, wenn es mehr Ganztagsplätze gäbe. Sie simulierten dafür verschiedene Szenarien.

Der Ausbau könnte zum einen bewirken, dass Mütter, die bisher ganz zuhause geblieben sind, einen Job antreten. Die Forscher rechnen daher damit, dass die Erwerbstätigenquote der Mütter um zwei bis sechs Prozentpunkte steigen würde - je nach Szenario. Mütter, die bereits in Teilzeit arbeiten, könnten ihre Stunden aufstocken, wenn es genügend Betreuungsplätze gäbe. Im Durchschnitt würden sie, je nach Szenario, ihre Arbeitszeit um eine bis 2,6 Stunden pro Woche erhöhen. Rechnet man die zusätzliche Erwerbsarbeit der Frauen in Vollzeittätigkeiten um, entspräche das 40 000 bis 100 000 Stellen. Die Forscher unterstellen dabei, dass jede Frau, die mehr arbeiten will, auch eine entsprechende Beschäftigung findet - sie ihre Wünsche auf dem Arbeitsmarkt auch voll umsetzen können.

Arbeiten mehr Frauen, muss der Staat weniger Transferleistungen an die Familien zahlen. Die Einkommen steigen und damit auch das Steueraufkommen und die Einnahmen der Sozialversicherungen. Die Forscher rechnen damit, dass der Staat insgesamt zwischen 1,04 und 2,01 Milliarden Euro mehr einnehmen würde.

"Das sorgt dafür, dass sich der Ausbau von Ganztagsangeboten zum Teil selbst finanziert - je nach Szenario und Kostenschätzung zu 30 bis 90 Prozent", sagte Katharina Spieß, Bildungsforscherin beim DIW. Familienministerin Giffey sieht darin ein weiteres Argument für ihren Plan: "Die Ganztagsbetreuung hat auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen - und der liegt unserem Gutachten zufolge bei bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr."

Auf die Untersuchung können sich allerdings auch die Länder und vor allem Kommunen berufen, die vom Bund mehr Geld für den Ganztagsaubau verlangen. Denn der Großteil der Mehreinnahmen würde dem Bund zufließen - er bekäme je nach Szenario zwischen 26 und 34 Prozent der zusätzlichen Einnahmen. Gut die Hälfte flöße in die Sozialversicherungen und käme damit indirekt dem Bund zugute, da er in dem Fall seine Zuschüsse für die Sozialkassen senken könnte. Auf die Städte und Gemeinden entfiele nur sieben bis acht Prozent der zusätzlichen Einnahmen.

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