Süddeutsche Zeitung

Ländervergleich:Wo das Erasmus-Geld am längsten reicht

Lesezeit: 3 min

Wer für ein Semester oder zwei im Ausland studiert, kann ein Stipendium der EU bekommen. Doch nicht in jedem Erasmus-Land lassen sich damit auch alle Kosten decken. Der Überblick.

Von Susanne Klein

Das Kilo Kartoffeln 53 Cent, das U-Bahn-Ticket 45 Cent, die Kinokarte 3,80 Euro, das Zimmer in der Dreier-WG 188 Euro, inklusive DSL-Flatrate natürlich. Preise, zu schön, um wahr zu sein? Keineswegs.

Ginge es nach den Kosten des täglichen Lebens, dürfte es für die mehr als 40.000 Studierenden an deutschen Hochschulen, die jedes Jahr im Rahmen des Erasmus-Programms der EU an eine ausländische Partneruniversität gehen, eigentlich nur ein Ziel geben: Istanbul. Keine bedeutende Metropole Europas kommt dem studentischen Budget mehr entgegen als die Stadt am Bosporus. Nun möchten vielleicht viele, schon aus politischen Gründen, nicht in die Türkei. Noch billiger als das Reich von Recep Tayyip Erdoğan ist nur die Republik Nordmazedonien mit der Hauptstadt Skopje, in der mehr als 60.000 junge Menschen studieren. Auch sie ist ein Erasmus-Programmland, allerdings eines der ärmsten und mit schlechter Infrastruktur. Aber wie wäre es mit dem südlichen Nachbarn Griechenland oder etwas weiter nördlich mit Rumänien? Auch dort ist ein Studienaufenthalt überdurchschnittlich leicht finanzierbar.

Das sagt jedenfalls Transferwise, ein Anbieter von Multiwährungskonten. Er hat für alle 33 Länder, die neben Deutschland am Erasmus-Programm teilnehmen, einen Lebenshaltungskostenindex aufgestellt, mithilfe von Daten der Internetseite Numbeo.com, die bei Nutzern weltweit lokale Preisangaben einsammelt. Dabei sind 26 auf die Bedürfnisse von Studierenden ausgerichtete Kostenfaktoren, unter anderem für Unterkunft, Transport, Lebensmittel und soziale Aktivitäten, in die Berechnung eingeflossen.

Das Fazit: Am längsten hält die Kasse Auslandsstudierender im Osten und Süden Europas, am ehesten ist ihr Geld im Westen und Norden verbraucht. Mit bis zu 450 Euro fördert die EU die studentische Mobilität, in sehr teuren Universitätsstädten wie Dublin oder Luxemburg reicht das mit Glück für ein halbes WG-Zimmer. "Das Verhältnis zwischen den Kosten vor Ort und der jeweiligen finanziellen Unterstützung schwankt sehr stark", sagt Pedro Martin-Steenstrup, Analyst bei Transferwise. Und die Rechnung hakt häufig selbst dann noch, wenn man zusätzlich zur Erasmus-Förderung Auslands-Bafög empfängt, weil die Eltern kein Studium finanzieren können. Schaut man sich die Durchschnittsbezüge beim Auslands-Bafög genauer an, stehen sie erstaunlicherweise im umgekehrten Verhältnis zur Kostspieligkeit der Länder: Mit 662 Euro gibt es in der Türkei am meisten, mit 473 Euro in Luxemburg am wenigsten.

Doch welchen Einfluss hat das Budget auf die Wahl des Studienlandes überhaupt? Genau lässt sich das kaum beantworten, aber ein Blick in die Statistik des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) gibt zumindest Hinweise. Die weltweit größte Förderorganisation für den internationalen Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern erhebt regelmäßig Mobilitätszahlen und leitet daraus Beliebtheitsrangfolgen ab. Würden die Finanzen den Ausschlag geben, wären für die Türkei (mit durchschnittlich 141 Euro für die studentische Unterkunft insgesamt sogar noch billiger als ihre vergleichsweise teure Vorzeigemetropole Istanbul) in diesem Ranking hohe Plätze zu erwarten. Doch in der Länderliste des DAAD schafft es die Türkei lediglich auf den zehnten Platz, den sie sich mit Portugal teilt. Nur jeweils drei Prozent der Auslandsstudierenden gehen von Deutschland aus in diese beiden Länder. Über Irland, Niederlande, Norwegen, Finnland und Italien geht es in der Beliebtheit dann hoch bis Platz fünf, darüber liegen die Spitzenreiter: Schweden, Großbritannien, Frankreich und schließlich Spanien als begehrtestes Erasmus-Zielland überhaupt.

Die Beliebtheitsrangfolge zeigt: Es gibt noch andere Kritierien als die Kosten. Wer seine Hochschule eine Weile verlassen will, um Auslandserfahrungen zu sammeln, fragt sich auch: Welche Sprache sollte ich können oder lernen? Welche Stadt finde ich spannend, welche Uni passt zu mir und meinem Studienfach? Welche Studienleistungen werden mir hinterher anerkannt? Mache ich ein Auslandssemester oder zwei oder nur ein Praktikum?

Doch irgendwann steht eben auch die Finanzierbarkeit im Raum. Neben den Lebenskosten und der Erasmus-Förderung spielt dann die Jobfrage eine Rolle. Nebenjobs anzunehmen, ist innerhalb Europas in der Regel kein Problem, aber Studenten jobben oft zum Mindeststundenlohn und sollten wissen: Anders als das Auslands-Bafög korrespondiert dieser meist mit den Lebenskosten. Laut Mindestlohnbericht 2020 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung liegt das gesetzliche Minimum in Luxemburg zurzeit bei 12,38 Euro, im beliebten Spanien bei 5,76 Euro und in der Türkei bei 2,37 Euro. Zwar kriegt man in Spanien und noch mehr in der Türkei beim Einkauf deutlich mehr fürs Geld als in Luxemburg, aber es ist auch bei weitem nicht so schnell verdient.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4799327
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.