Süddeutsche Zeitung

Würzburg:Im V-Mann-Prozess geraten zwei Polizisten ins Visier

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Von Olaf Przybilla, Würzburg

Für eine Heldengeschichte über den armen V-Mann und Ex-Bandido Mario F. eignet sich der Prozess am Würzburger Landgericht nicht, das ist nach sechs Verhandlungstagen schon klar. Der Angeklagte hat in strafrechtlicher Hinsicht wenig ausgelassen, allein fürs Verlesen des Vorstrafenregisters brauchte der Richter etwa zehn Minuten. 13 Delikte führte er auf, vom Vollrausch am Steuer über Beihilfe zur Untreue bis zum mehrfachen Betrug.

Ebenso wenig zeichnet sich bislang ab, ob das Gericht die im ersten Prozess 2013 verhängte Strafe von fast sieben Jahren Haft am Ende tatsächlich reduzieren wird. Oder ob es zur Überzeugung gelangt, dass der Mann mit Drogen gehandelt hat - ohne dass das Landeskriminalamt (LKA), für das er als Spitzel tätig war, dies gebilligt oder gar forciert hätte.

Ermittlungen gegen sechs LKA-Beamte und zwei Polizisten

Kein Heldenepos also. Sehr wohl aber eine Geschichte darüber, dass ein Mann, von dem vor Gericht 2013 fast alle gesagt hatten, er sei ein Spinner, Lügner, fantasierender Halunke, dass so einer nicht notwendigerweise die Unwahrheit sagen muss.

Und eine Geschichte darüber, wie sehr die Grenzen zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Einbildung, Beamten und Bandido mitunter offenbar verwischen können. Ins Visier sind sechs LKA-Beamte geraten, gegen die die Nürnberger Staatsanwaltschaft ermittelt, unter anderem wegen möglicher Strafvereitelung im Amt.

Nun aber wird zusätzlich gegen zwei Polizisten ermittelt, die in Verdacht geraten sind, sich am 7. Dezember 2015 im V-Mann-Prozess einer uneidlichen Falschaussage schuldig gemacht zu haben. Nach einer Strafanzeige hat die Staatsanwaltschaft Würzburg jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden Beamten eingeleitet.

Es geht um einen entscheidenden Satz, den F. angeblich gesagt haben soll

Der Moment, um den es geht, hatte im Gerichtssaal für Raunen gesorgt. Zeuge einer möglichen Straftat werden Prozessbeobachter höchst selten, das allein schon hätte das Staunen nachvollziehbar gemacht. Dass es Polizisten waren, die dabei zu beobachten waren, machte den Moment zusätzlich brisant.

Die beiden Beamten von der Polizeiinspektion Waldsassen hatten nacheinander ausgesagt, sie könnten sich an einen Satz erinnern, den der V-Mann F. kurz nach seiner Festnahme an der tschechischen Grenze gesagt haben soll. "Das hätte ich dem Norbert sagen sollen", soll F. geflucht haben. Norbert ist der Vorname des damals für den V-Mann zuständigen Mannes beim LKA, im Jargon der Branche "V-Mann-Führer" genannt.

Der von den Polizisten zitierte Satz konnte nur heißen: Der Bandido F. hatte den Drogendeal nicht vorab mit dem LKA abgesprochen. Ein sehr wichtiger Moment in diesem Prozess: Wäre der Satz so gefallen, hätte F. kaum Chancen, dem Gericht glauben zu machen, er habe in Absprache mit dem LKA mit Drogen gedealt, um nicht als Spitzel bei den Bandidos aufzufliegen.

Verdacht auf Absprache von Aussagen zugunsten des LKA

Direkt nach den beiden Polizisten trat ein Kriminalbeamter in den Zeugenstand. Er war vormittags gemeinsam mit den Polizisten im Auto zur Verhandlung nach Würzburg gefahren. Er wurde gefragt, ob sich die beiden Polizisten auf der Fahrt von Waldsassen nach Franken auch über die Festnahme von F. unterhalten hätten. Ja, antwortete der Beamte. Ob sich beide an den zitierten Satz "Das hätte ich dem Norbert sagen sollen" erinnert hätten? Nein, antwortet der höherrangige Beamte. Nur einer von den beiden. Der andere nicht.

Eine Absprache von Aussagen zugunsten des LKA? Der Verdacht steht seither im Raum. Und er muss sich für den Ex-Bandido wie ein Déjà-vu anfühlen. F. hatte sich im ersten Prozess in Würzburg immer wieder darüber beklagt, dass die aussagenden LKA-Beamten sich offenbar abgesprochen und Aussagen gegenseitig abgestimmt hätten.

Und zwar um ihn, Mario F., wie den Banditen dastehen zu lassen und alle beteiligten LKA-Leute wie vorbildliche, ausschließlich nach Recht und Gesetz handelnde Beamte. Inzwischen hat die Kriminalpolizei den damaligen Mailverkehr der LKA-Männer sichergestellt. Der legt eine gegenseitige Absprache zumindest nahe.

LKA-Beamte sollen im März aussagen

Am Dienstag hat der Verteidiger von F., Alexander Schmidtgall, den Mailverkehr im Prozess verlesen. "Die Verhandlung heute lief erwartungsgemäß, viele Zitate aus den Briefen, die ich natürlich als unwahr, gelogen und nichtig beantwortet habe", schrieb da ein LKA-Mann an den Kollegen.

Aus anderen Mails wird klar, dass ein Prozessbeobachter vom LKA ständig protokolliert hatte, was im Gericht passierte. Mit allen Details: "Am Vormittag waren keinerlei Pressevertreter im Gerichtssaal, diese erschienen erst nach der Mittagspause."

Ein weiteres Schreiben, ohne Unterschrift, beginnt mit der Zeile: "Für folgende Fragen solltest Du gerüstet sein." Eine Absprache? Die LKA-Beamten sollen im März aussagen. Ob sie sich einlassen, ist ungewiss. Weil gegen sie selbst ermittelt wird, könnten sie die Aussage verweigern.

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SZ vom 04.02.2016
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