Süddeutsche Zeitung

Massentierhaltung:Streit um Hühner-Mastanlage verschärft sich

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Der Landwirt Josef Höckmeier mästet jährlich knapp eine Million Hähnchen bis zur Schlachtreife. In seinem Betrieb sieht der Bund Naturschutz die Regeln für Tierwohl und für Brandschutz verletzt und zieht erneut gegen den Landwirt vor Gericht.

Von Christian Sebald, Wolnzach

Aus der Sicht des Eschelbacher Landwirts Josef Höckmeier läuft alles bestens. "Den ersten Mastzyklus haben wir hinter uns", sagt Höckmeier, der in dem kleinen Ortsteil des Marktes Wolnzach (Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm) eine Hühnchen-Mastanlagen betreibt. "Jetzt sind wir kurz vor der Einstallung des nächsten Zyklus." Höckmeiers Anlage ist nicht irgendeine Hühnchen-Mastanlage. Sie ist eine der größten, wenn nicht gar die größte in Bayern. Der Komplex umfasst vier Hallen mit 124 600 Tierplätzen. Bei 7,5 Mastzyklen im Jahr kann der Landwirt auf seinem Hof 934 500 Hähnchen pro Jahr bis zur Schlachtreife mästen.

Für den Bund Naturschutz (BN) und seinen Chef Richard Mergner ist Höckmeiers Betrieb das Paradebeispiel dafür, "dass die industrielle Massentierhaltung längst auch in Bayern Einzug gehalten hat". Das will die Organisation nicht hinnehmen. Deshalb kämpft der BN seit Jahren vor Gericht gegen den Hähnchen-Mastbetrieb. Erst im Januar hat das Landratsamt Pfaffenhofen der Familie Höckmeier nach jahrelangen Auseinandersetzungen vor Gericht die Genehmigung für die Anklage erteilt. Der BN will das nicht hinnehmen. Er zieht abermals vor Gericht. Er will den Widerruf der Genehmigung erreichen. "Denn die Anlage ist ein Sinnbild für einen Agrarkapitalismus, den die meisten Menschen nicht haben wollen", sagt Mergner. "Und sie steht außerdem für das Tierleid in der Massentierhaltung."

Nach Höckmeiers ursprünglichen Plänen hätte die Mastanlage sogar um 20 000 Mastplätze größer ausfallen sollen. Doch das hat der BN bereits verhindert. Der Grund war die sogenannte Privilegierung von zwei Hallen der Mastanlage, die Höckmeier neu errichtet hatte. Sie besagt, dass ein Landwirt nur dann einen neuen Stall oder eine Mastanlage in der freien Landschaft errichten darf, wenn er wenigstens die Hälfte des Futters für die Tiere darin auf eigenen oder auf gepachteten Feldern erwirtschaften kann. Der BN zog das bei Höckmeiers Anlage in Zweifel, das Gericht gab der Organisation recht. Darauf speckte der Landwirt seine Anlage so ab, dass sie nun aus seiner Sicht und der des Landratsamts die Vorgabe erfüllt. BN-Chef Mergner sieht das weiter anders. "Die neuen Berechnungen stimmen nicht", sagt er. "Die Vorgaben für die Privilegierung kann der Betrieb nach wie vor nicht einhalten."

Außerdem werden nach Überzeugung des BN die Regeln für den Tierschutz und das Tierwohl verletzt. Die Geflügelmast zählt zu den umstrittensten Arten der Tierhaltung. Tierschützer sagen, dass dabei allein schon wegen der schieren Menge an Hühnchen massiv gegen die einschlägigen Vorgaben verstoßen werde. Sie werfen den Mästern vor, dass die Tiere keinerlei Auslauf ins Freie haben, nicht nach Insekten oder Würmern picken können, wie sie es gerne tun, und in den Ställen zumeist keine Stangen oder andere Gerätschaften vorhanden sind, auf die sie hinauf fliegen könnten.

Ein neuer Kritikpunkt ist der Brandschutz. Der BN führt in seiner Klage aus, dass in einer Mastanlage von der Größenordnung des Eschelbacher Betriebs nicht sichergestellt werden kann. Er bezieht sich dabei auf den Brand von Deutschlands größter Schweine-Zuchtanlage Ende März in Alt Tellin in Mecklenburg-Vorpommern. Bei dem Feuer verendeten mehr als 55 000 Sauen und Ferkel in den Flammen. Nur 1300 Tiere konnten aus den brennenden Ställen gerettet werden. Zwar räumt Mergner ein, dass man "die beiden Anlagen nicht direkt miteinander vergleichen kann". Aber er befürchtet, dass auch in Eschelbach im Falle eines Feuers die meisten Tiere zugrunde gehen würden.

Landwirt Höckmeier sieht der Klage des BN derweil "entspannt entgegen", wie er sagt. "Wir haben alle Punkte abgearbeitet, die uns das Gericht seinerzeit aufgegeben hat", sagt er. "Jetzt funktioniert alles, wie es funktionieren soll."

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Quelle:
SZ vom 19.05.2021
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