Der Streit um einen der größten Hähnchenmastbetriebe in Bayern geht in eine neue Runde. Das Landratsamt im oberbayerischen Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm hat jetzt dem Wolnzacher Landwirt Josef Höckmeier die Genehmigung für die Anlage mit vier Hallen mit 124 600 Tierplätzen erteilt. Bei 7,5 Mastzyklen im Jahr kann der Landwirt in ihnen bis zu 934 500 Hühner pro Jahr mästen. Beim Bund Naturschutz (BN), wo sie seit Jahren gegen die Anlage kämpfen, sprechen sie von "einem Skandal". "Das ist und bleibt industrielle Massentierhaltung", sagt BN-Chef Richard Mergner. "Sie hat mit bäuerlicher Landwirtschaft nichts zu tun." Der BN wird aller Voraussicht nach erneut gegen die Anlage klagen. Der Landwirt Höckmeier weist die Vorwürfe zurück. "Wir erfüllen modernste Standards", sagt er, "sowohl beim Tierwohl als auch im Umweltschutz."
Der Streit um den Mastbetrieb geht seit Jahren und ist verzwickt. Die Familie Höckmeier betrieb schon in der Vergangenheit im Wolnzacher Ortsteil Eschelbach zwei Großställe mit 40 000 Hühnermastplätzen. Diese wollte sie ursprünglich auf 43 600 Mastplätze erweitern. Außerdem ließ sie sich außerhalb des Ortsteils zwei neue Großställe genehmigen, in denen ursprünglich jeweils 50 500 Mastplätze geplant waren. Mit ihnen wäre der Betrieb auf 144 600 Mastplätze gekommen und hätte - bei den üblichen 7,5 Mastzyklen im Jahr - bis zu 1,1 Millionen Hühner im Jahr mästen können. Der Betrieb hätte damit zu den ganz großen Hähnchenmastanlagen nicht nur in Bayern, sondern in Deutschland gezählt.
Fleischkonsum:Geflügel heiß begehrt
Um die heimische Nachfrage zu decken, muss Hühnerfleisch importiert werden. Doch die Deutschen essen immer noch gerne Schwein.
Vor knapp zwei Jahren widerrief das Verwaltungsgericht München die Genehmigung, das Projekt war gestoppt. Der Grund war die sogenannte Privilegierung der beiden neuen Hallen. Danach darf ein Landwirt nur dann außerhalb einer Ortschaft in der freien Landschaft einen neuen Stall oder eine Mastanlage errichten, wenn er wenigstens die Hälfte des Futters für die Tiere darin auf eigenen oder auf Pachtflächen erwirtschaften kann. Der BN bezichtigte Höckmeier in seiner Klage, diese Voraussetzung zu verfehlen, der Landwirt konnte vor Gericht den Vorwurf nicht entkräften. Also gab das Verwaltungsgericht dem BN Recht.
Für BN-Chef Richard Mergner geht es in dem Streit freilich um sehr viel mehr als um die Erfüllung einer Vorgabe im Baugesetzbuch. Aus seiner Sicht haben Großställe wie die der Höckmeiers nichts mit Landwirtschaft zu tun. "Sie sind industrielle Massenproduktion", sagt Mergner. Deshalb lehnt er solche Anlagen grundsätzlich ab. Der Eschelbacher Betrieb ist tatsächlich ein Paradebeispiel für die Konzentration der Geflügelbranche. Das lässt sich sogar im aktuellen Agrarbericht der Staatsregierung nachlesen. Zwar sind die Zahlen darin inzwischen beinahe fünf Jahre alt. Aber die Verhältnisse dürften sich nur unwesentlich verändert haben. 2016 gab es bayernweit knapp 5,4 Millionen Hähnchenmastplätze. 5,2 Millionen oder 96 Prozent entfielen auf Massenställe mit mehr als 10 000 Mastplätzen. In den 21 größten Betrieben erfassten die Statistiker gut zwei Millionen Mastplätze - 38 Prozent der gesamten Mastplätze in Bayern.
Die Hähnchenmast ist denn auch eine der umstrittensten Arten der Tierhaltung. Nach Überzeugung von Tierschützern wird in ihr allein wegen der schieren Menge an Hähnchen massiv gegen das Tierwohl verstoßen. Sie werfen den Mästern vor, dass die Tiere keinerlei Auslauf ins Freie haben, nicht nach Insekten oder Würmern picken können, wie sie es gerne tun, und keine Stangen oder andere Gerätschaften haben, auf die sie hinauf fliegen können. Außerdem seien die Anlagen eine Belastung für die Anwohner und die Umwelt - vom Geruch her, aber auch was die Abluft anbelangt. Dass dennoch immer wieder Massenställe in Betrieb gehen, liegt für den BN-Chef Mergner "an der Lebenslüge der bayerischen Agrarpolitik". "Öffentlich rühmt Agrarministerin Michaela Kaniber gerne, dass es so noch viele kleine Bauernhöfe in Bayern gibt und empfiehlt ihre Politik als Vorbild", sagt er. "Dabei ist die immer stärkere Konzentration der Landwirtschaft auch im Freistaat längst Realität."
Landwirt Höckmeier lässt die Vorwürfe nicht gelten. Er verweist darauf, dass er nun die Zahl der Mastplätze um mehr als 21 000 reduziert habe - so wie er das schon in der Gerichtsverhandlung 2019 angeboten hatte. Zudem werde er auch in den beiden alten Stallungen in Eschelbach hochmoderne Luftwäscheanlagen einbauen. "Ich will Zeichen setzen", sagt er, "gleich ob in der Tierhaltung oder in der Umweltverträglichkeit." Schon in der Vergangenheit hatte Höckmeier betont, dass er gerade in das Tierwohl investiert habe - zum Beispiel in eine Verglasung der Hallen, damit die Hühner Tageslicht haben, und eine Kühlung, damit es im Sommer in ihnen nicht zu heiß werden kann.
Vor allem aber beruft sich Höckmeier auf die Verbraucher. "Die übergroße Mehrheit kauft Fleisch von konventionell gemästeten Hühnern", sagt er. "Wenn nicht Bauern wie ich es liefern, wird es aus anderen Staaten importiert, wo die Standards im Zweifel deutlich niedriger sind - gerade was das Tierwohl anbelangt." Auch bei der Futterproduktion für seine Hühner hat der Landwirt nachgebessert. "Ich habe alles abgearbeitet, was mir das Gericht aufgegeben hat", sagt er. Einer abermaligen Klage sieht er "sehr entspannt" entgegen.