Süddeutsche Zeitung

Weniger Soldaten im Freistaat:Bayern bangt um Bundeswehr-Standorte

Lesezeit: 3 min

Tiefe Einschnitte bei der Bundeswehr: Alleine in Bayern sollen etwa 10.000 Dienstposten abgebaut werden, etliche Standorte werden ganz geschlossen. Welche, das wird Verteidigungsministser de Maizière heute bekanntgeben. Die bayerische Staatsregierung fordert bereits Hilfen für betroffene Kommunen.

Mike Szymanski, Stefan Mayr, Max Hägler, Frank Müller und Katja Auer

Sieben Jahre nach der letzten Bundeswehrreform muss Bayern offenbar abermals tiefe Einschnitte bei der Truppe im Freistaat verkraften. Wie am Dienstagabend aus Münchner Regierungskreisen verlautete, wird die Bundeswehr voraussichtlich ein Fünftel ihrer Dienstposten im Freistaat abbauen, die Rede war am Dienstagabend von 10.000, womöglich noch mehr, der knapp 50.000 Soldaten.

Dabei hat für Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) offenbar die Verkleinerung von Standorten Vorrang vor deren Schließung. Bis in den späten Dienstagabend wurde in Berlin noch um die Zukunft von etwa sechs bayerischen Kasernen gerungen. Besonders betroffen von der Reform dürfte Schwaben sein, wo die Kasernen in Kempten, Kaufbeuren, Dillingen und Donauwörth bis zuletzt als nicht gesichert galten.

Für Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer hat der Erhalt des Fliegerhorstes Lagerlechfeld oberste Priorität, wie er sagte. Er zeigte sich am Dienstagabend zuversichtlich, dass es für diesen Standort eine Zukunft gebe, solange die Bundeswehr den Tornado als Kampfflieger einsetzt. Der Fliegerhorst sei auch für die in Schwaben stark vertretene Luftfahrtindustrie von besonderer Bedeutung.

Ebenso zuversichtlich zeigte sich Seehofer, dass die Otto-Lilienthal-Kaserne im fränkischen Roth erhalten bleiben werde, wenn auch voraussichtlich in veränderter Form. Roth mit seinen 3000 Soldaten ist einer der letzten großen Standorte in Franken. Seehofer nannte konkret auch die Franz-Josef-Strauß-Kaserne in Altenstadt (Weilheim-Schongau), für deren Erhalt er sich offenbar bis zuletzt einsetzte. Details sollten noch in der Nacht mit Berlin abgesprochen werden. Seehofer sagte: "Jeder Standort, der geschlossen wird, tut Bayern weh."

In der Staatsregierung gibt es konkrete Überlegungen, mit einem eigenen Strukturprogramm die Folgen der Bundeswehrreform für den Freistaat abzumildern. Staatskanzlei-Chef Marcel Huber sagte am Dienstag: "Es ist unser fester Plan, die Kommunen nicht alleinzulassen."

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll das Finanzministerium Spielräume für landeseigene Strukturhilfen ausloten. Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) zeigte sich offen dafür: "Wir können nicht zulassen, dass die Folgen der Bundeswehrreform die Probleme im ländlichen Raum weiter verschärfen." Bereits im Nachtragshaushalt, der zurzeit verhandelt wird, könnte dafür Geld bereitgestellt werden.

Auch Innenminister Joachim Herrmann sprach sich für Hilfen aus, sieht aber in erster Linie den Bund gefordert. "Wir brauchen für die Standorte, die tatsächlich stillgelegt werden, ein Konversionsprogramm." Die Folgen "würden in ihrer Gesamtheit für Bayern noch erträglich sein", so Herrmann.

Aktivitäten in letzter Minute gab es am Dienstag überall in Bayern: Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) wusste noch nichts Definitives, war aber äußerst skeptisch. "Es sieht relativ schlecht aus, die Komplettschließung des Fliegerhorstes ist denkbar", sagt Bosse.

Am Freitag war er nochmals nach Berlin geflogen, um für den Standort zu werben, von dem in der strukturschwachen Ostallgäu-Stadt so viel abhängt. Er ist sich sicher, "dass es den Standort, so wie er heute dasteht, künftig nicht mehr geben wird". Auch die Artillerie-Kaserne in Kempten mit ihren 1000 Mitarbeitern bangt bis zuletzt.

Im oberbayerischen Manching war die Stimmung gespalten: Die Soldaten der Wehrtechnischen Dienststelle 61 dürfen sich sicher fühlen, weil der Fliegerhorst Manching auch für den Militärflugzeughersteller Cassidian (ehemals EADS) von großer Bedeutung ist.

Die Flugabwehrraketengruppe 23 in der Max-Immelmann-Kaserne im nahen Oberstimm gilt dagegen als gefährdet. "Beim Flugplatz mache ich mir keine Sorgen, aber bei der Kaserne habe ich Bauchschmerzen", sagt Manchings Bürgermeister Herbert Nerb. Der Standort Fürstenfeldbruck bei München soll geschlossen, Erding deutlich reduziert werden.

"Natürlich sind wir gespannt und hoffen, dass unsere gut funktionierenden Strukturen erhalten bleiben", betont Hagen Messer. Der Oberstleutnant ist Sprecher der 10. Panzerdivision, eine der Großeinheiten der Bundeswehr, und ist angesichts der Ministerentscheidung extra von einer Übung in Wildflecken ins Hauptquartier im baden-württembergischen Sigmaringen zurückgekehrt. Die drei bestehenden klassischen Heeresdivisionen sollen auf zwei reduziert werden, in der Bundeswehr geht man jedoch davon aus, dass es aber nicht "die Zehnte" sein wird.

Und damit scheinen auch viele bayerische Standorte relativ sicher, die der 10. Panzerdivision unterstellt sind: Von den Gebirgsjägern in Berchtesgaden, über das Panzergrenadierbataillon 112 in Regen, das im Afghanistan-Einsatz in diesem Jahr Tote zu beklagen hatte, bis zu weiteren Standorten der 12. Panzerbrigade in Ostbayern. Ohne Veränderungen wird die Reform an den zwölf ostbayerischen Standorten wohl nicht ablaufen. Es zeichnete sich ab, dass der Brigadestab der 12. Panzerbrigade mit rund 200 Soldaten von Amberg nach Cham umziehen soll. Dort könnte ein neues Bataillon aufgebaut werden.

Was auch immer verlangt werde vom Ministerium, man werde sich dem professionell fügen, sagte Oberstleutnant Messer. Es könnte ihn selbst auch treffen: Schon seit mehreren Monaten wird überlegt, ob der Divisionsstab nach Veitshöchheim bei Würzburg verlegt werden soll. Allerdings geschehen solche Umzüge nicht sofort, sondern erst wenn geplante Einsätze abgearbeitet sind.

Deutlich angespannt zeigte sich am Rande des Landtagsplenums auch CSU-Fraktionschef Georg Schmid. In seiner Heimatstadt Donauwörth liegt die Alfred-Delp-Kaserne. "Ich habe kein gutes Gefühl", sagte Schmid.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2011
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