Süddeutsche Zeitung

Verwandtenaffäre:Bayerns Verfassungsrichter rüffeln Seehofer

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Wie viel Geld erhielten die Verwandten von Kabinettsmitgliedern? Diese Frage wollte Ministerpräsident Seehofer nicht beantworten. Das müsse er aber, entschied nun der Bayerische Verfassungsgerichtshof. Die Staatsregierung habe gegen die Verfassung verstoßen.

Die Staatsregierung hat Anfragen der SPD zur Verwandtenaffäre unzureichend beantwortet und damit gegen die Bayerische Verfassung verstoßen. Das entschied nun der Bayerische Verfassungsgerichtshof (VGH). In der Urteilsbegründung betonte Gerichtspräsident Karl Huber, die Staatsregierung sei zur Beantwortung verpflichtet gewesen. Dafür spreche schon die "Personalverflechtung" zwischen Landtag und Regierung.

Mit der Klage will die bayerische SPD die Staatsregierung zur Auskunft zwingen, wie viel Geld fünf in die Affäre verwickelte Kabinettsmitglieder ihren Verwandten zahlten. Außerdem wollen die Sozialdemokraten wissen, wie viel Geld die betreffenden CSU-Politiker auf Order von Ministerpräsident Horst Seehofer an die Staatskasse zurück überwiesen haben.

Die Staatsregierung verweigerte bislang die Antwort, um welche Summen es ging. Denn die Betreffenden hätten ihre Verwandtschaft nicht in den Ministerien beschäftigt, sondern in ihren Abgeordnetenbüros. Deswegen sei das Landtagsamt für die Beantwortung der Fragen zuständig, nicht die Regierung, hieß es bislang.

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher und der von der SPD beauftragte Anwalt Michael Bihler hielten dagegen, dass die Affäre durch die Einmischung Seehofers zur Regierungsangelegenheit gemacht wurde. Deshalb müsse die Staatsregierung auch die Fragen beantworten - diese Auffassung haben die Verfassungsrichter mit ihrem Urteil nun bestätigt.

Genugtuung in der SPD

Rinderspacher konnte schon während der Begründung durch Gerichtspräsident Huber seine Genugtuung kaum verbergen. "Dieses Urteil ist ein Paukenschlag", sagte er danach. "Mit Donnerhall ist das Parlament gestärkt worden."

Aufsehenerregend sind vor allem die Passagen, in denen das Gericht den betroffenen Ministern vorhält, dass von ihnen mehr erwartet wird als von gewöhnlichen Abgeordneten. "Den Kabinettsmitgliedern obliegt eine gesteigerte Sorgfaltspflicht im Umgang mit öffentlichen Mitteln, die noch über die eines einfachen Abgeordneten hinausgeht", heißt es. "Es ist daher zu erwarten, dass Kabinettsmitglieder gerade bei Ausgaben in eigener Sache zulasten der Staatskasse besondere Sorgfalt walten lassen." Denn, so der VGH weiter: "Fehlt es an einem dieser Vorbildfunktion gerecht werdenden Verhalten, kann dies zugleich Folgen im Hinblick auf die Eignung für ein Regierungsamt haben, das in besonderem Maß persönliche Integrität voraussetzt."

Rinderspacher wich der Frage aus, ob die SPD an ihren Rücktrittsforderungen festhält. Er wolle zunächst die nun fälligen Antworten der Staatsregierung abwarten. Vertreter der Staatsregierung wollten sich nicht zu der Entscheidung äußern.

Es ist nicht die erste schroffe Ermahnung vom VGH. Erst im März rügte das Gericht die Staatsregierung für ihren Umgang mit den Rechten der Landtagsabgeordneten. Bayerns oberste Richter bescheinigten dem Innenministerium klare Rechtsverstöße beim Umgang mit parlamentarischen Anfragen der Opposition. Ein ganzes Bündel von Anfragen der Grünen über den Verfassungsschutz sei unzureichend beantwortet worden, entschieden die Richter.

Stamm will Abgeordneten mehr Geld zur Verfügung stellen

Unabhängig von der deutlichen Rüge an die Staatsregierung in Sachen Verwandtenaffäre, will Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) heute eine Verbesserung für die Abgeordneten durchsetzen: Sie sollen mehr Geld für Mitarbeiter bekommen. "Die Aufgabe der Abgeordneten ist es, die Regierung zu kontrollieren. Dafür müssen sie in einer immer komplexeren Welt auch ausgestattet sein", sagte Stamm dem Münchner Merkur.

Im nächsten Doppelhaushalt wolle sie für jeden Abgeordneten das Mitarbeiter-Budget von 93 000 Euro um 24 000 Euro erhöhen. Sie führe derzeit Vorgespräche im Präsidium, im Ältestenrat und mit den Fraktionschefs. Ein zweiter Schritt könnte später der Aufbau eines wissenschaftlichen Dienstes im Landtagsamt sein, "weil die Anforderungen an die Politik ständig wachsen". Von den Ministerien verlangt Stamm "mehr Respekt gegenüber dem Parlament". Anfragen seien zügig zu beantworten, und "wenn Regierungsmitglieder reisen, sollten künftig immer Mitglieder der Fraktionen mitreisen".

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