Süddeutsche Zeitung

Urteil:Das "Chiemseer"-Bier darf nicht mehr so heißen

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Die Rauten sind weiß-blau, aber das sind sie in Bayern öfter einmal, auch auf allerlei Bierflaschen. Direkt unter den Rauten steht auf dem Etikett der Markenname: "Chiemseer" heißt das Bier, und wer es gebraut hat, steht gleich darüber, nämlich das Chiemgauer Brauhaus in Rosenheim. Und genau da, in Rosenheim, liegt jetzt das Problem: Denn das dortige Chiemgauer Brauhaus darf sein Gebräu nicht mehr "Chiemseer" nennen.

So hat das Oberlandesgericht in München am Donnerstag geurteilt und damit der klagenden Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs recht gegeben. Denn "Chiemseer" sei eine geografische Herkunftsangabe - und Rosenheim mag sich zwar als Kapitale des Chiemgaus ansehen. Doch am Chiemsee liegt es aus der Perspektive des Oberlandesgerichts jedenfalls nicht.

Die Richter folgten der Argumentation der Kläger und stuften den Markennamen also als unzulässig, weil irreführend ein. Die Brauerei behält sich nun vor, als nächste Instanz den Bundesgerichtshof anzurufen. Keinen Grund zur Klage hat eine zweite Brauerei, die sich am selben Tag vor demselben Gericht gegen die Klage einer dritten Brauerei wehren musste.

Streit zwischen Tegernseer und der Grafinger Wildbräu-Brauerei

Diese dritte, das Herzogliche Brauhaus Tegernsee, vertreibt mit wachsendem Erfolg ein Bier mit weiß-blauen Rauten auf dem Etikett und nennt es mit einigem geografischen Recht "Tegernseer". Diese Tegernseer wollten nun der Grafinger Wildbräu-Brauerei untersagen lassen, weiterhin ein Bier mit der Bezeichnung "Klosterseer" zu verkaufen. Doch die Grafinger sträubten sich erfolgreich.

Streitpunkt in diesem Prozess waren die Klosterseen. Einen solchen gibt es in Brandenburg ebenso wie bei Seeon nördlich des Chiemsees - und eben bei Grafing im Landkreis Ebersberg, wo auch der örtliche Eishockey-Verein als EHC Klostersee auftritt.

Das Brauhaus in Tegernsee monierte nun, dass das Produkt der Grafinger womöglich eine Herkunft von prominenteren oder jedenfalls anderen Klosterseen nahelege, doch diese Argumentation verfing bei den Richtern nicht. Die Wildbräu GmbH hatte den Konkurrenten schon eine Unterlassungserklärung verweigert und auch einen ersten Prozess vor dem Landgericht gewonnen. Diesem Urteil schloss sich nun auch das OLG an.

Siegfried Jackermeier, der Anwalt der Grafinger, hatte ohnehin seine Zweifel daran, dass es den Klägern nur darum ging, eine Verbrauchertäuschung zu verhindern. "Man will einfach nicht, dass jemand anderes ein Bier mit der Bezeichnung ,-seer' verwendet", sagte er. Auf diese Diskussion ließ sich Richter Gunnar Cassardt gar nicht ein. Einzig gehe es um die Frage, ob die Bezeichnung "Klosterseer" eine geografische Herkunftsangabe sei. Und wenn ja, ob sie die Wildbräu-Brauerei irreführend verwende.

Daran ließ Cassardt bereits in der Verhandlung Zweifel erkennen: "Wo soll sie Relevanz einer Irreführung liegen, wenn jemand keinen der Klosterseen kennt?" Die Klage wies der Senat nach einer beinahe kulturphilosophischen Erläuterung zurück: "Bier ist ein Alltagsgut", sagte Cassardt. "Der Verbraucher hat doch überhaupt keinen Anlass, sich vor dem Kauf mit den geografischen Gegebenheiten zu befassen und sich zu überlegen, ob die Braustätte nun an dem See liegt, oder etwas weiter weg." Die Bezeichnung "Klosterseer" lasse sich angesichts der vielen Klosterseen gar keiner bestimmten geografischen Herkunft zuordnen.

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Quelle:
SZ vom 18.03.2016 / thri, kpf
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