Süddeutsche Zeitung

Union:Rechter CSU-Rand nimmt Seehofer die Versöhnung mit Merkel übel

Lesezeit: 3 min

Von Wolfgang Wittl, München

Horst Seehofer versteht sich als Mann des Volkes, doch manchmal kann der ungefilterte Kontakt zu den Menschen auch für ihn schmerzvoll sein. Die Entscheidung der CSU, erneut mit Kanzlerin Angela Merkel in den Wahlkampf zu ziehen, war erst kurz auf dem Markt - schon brauste am Montag auf Seehofers Facebookseite ein Sturm der Entrüstung über ihn hinweg.

Hunderte Kommentare liefen in wenigen Stunden ein, fast alle klangen wie der einer gewissen Maria Schwarz: "Jetzt reicht's aber, warum lassen Sie sich ununterbrochen von Merkel vorführen?" "Völlig unglaubwürdig" sei Seehofer mittlerweile, schreibt Frau Schwarz und fordert: "Zeigen Sie ENDLICH Rückgrat."

So ähnlich lesen sich die meisten Beiträge, oft noch mit deftigeren Worten. Ihre Botschaft: Seehofer sei vor der Kanzlerin eingeknickt, Merkels Kritiker fühlen sich vom CSU-Chef verraten. Von dem Mann also, der Merkel mit Verfassungsklage gedroht und ihr eine Herrschaft des Unrechts vorgeworfen hatte. Und der nun auf seiner Facebookseite schreibt: "Angela Merkel repräsentiert Deutschland nicht nur erstklassig, sondern führt auch auf internationaler Ebene." Oder dass die CSU mit Merkel die meisten ihrer Vorstellungen realisieren könne. "Auch wenn es noch unterschiedliche Meinungen bei der Obergrenze gibt, überwiegen die Gemeinsamkeiten mit der Bundeskanzlerin bei Weitem", teilt Seehofer mit: "Das alles rechtfertigt, dass wir gemeinsam in den Wahlkampf ziehen."

Der CSU-Vorstand ist Seehofer einstimmig gefolgt, selbst Merkels schärfste Kritiker "rollten die Fahne ein", wie Sitzungsteilnehmer beobachteten. Der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber wird zu ihnen gerechnet, Finanzminister Markus Söder, Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der ehemalige Justizminister Alfred Sauter. Doch so sehr sie die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin auch geißelten, dürfte ihnen als Politprofis wohl bewusst gewesen sein, dass CDU und CSU im Wahlkampf wieder zueinander finden sollten.

Auch Seehofer wusste das, eine Trennung von der CDU lehnte er strikt ab, doch die Erwartung einiger CSU-Anhänger war offensichtlich eine andere. Dass sie ihrem Zorn nun freien Lauf lassen, kommt für die Parteispitze nicht überraschend. Es sei immer klar gewesen, sagt ein Vorstandsmitglied, dass der Tag, an dem sich die CSU auf Merkel festlege, Ärger bringen würde, egal wann.

Nicht von ungefähr betonte Seehofer im Parteivorstand nun zwar die vielen Gemeinsamkeiten von CDU und CSU. Gleichzeitig warnte er aber vor zu viel Euphorie. Als der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, allzu begeistert über die Entscheidung pro Merkel als Kanzlerkandidatin sprach, sagte Seehofer kühl, für "Hosianna und Weihrauch" gebe es jetzt wiederum auch keinen Grund.

Die Szene beschreibt Seehofers Dilemma recht gut: Für Merkel zu sein, aber bloß nicht zu viel - das ist die Gratwanderung, die er seit Wochen beschreitet. Der Parteichef, ein "Meister der Doppelstrategie", bringe diese Flexibilität auf, sagt ein führender CSU-Mann. Die Frage sei nur: "Wie viel Spagat hält eine Partei aus?" Auch eine Volkspartei wie die CSU, die sich zwischen Merkel-Freunden und AfD-Klientel bewegt.

Sogar seine Kritiker gestehen Seehofer zu, dass er diese Bandbreite besser abdecke als jeder andere in der CSU. Sie werfen ihm aber vor, die Kritik an Merkel viel zu persönlich geäußert zu haben. Wenn Seehofer nun im Parteivorstand sage, er sei "aus tiefer Überzeugung" für die Kanzlerin, dann müsse er sich nicht wundern, dass Merkel-Gegner, die ihm vorher huldigten, das nun übel nähmen.

In der CSU-Zentrale hat man die Hoffnung trotzdem nicht aufgegeben, die Unzufriedenen, die zur AfD tendieren, wieder zurückzugewinnen. "Wir werden im Wahlkampf klar machen, dass eine Obergrenze die Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung ist", sagt ein Parteisprecher. Die Rechnung lautet so: Wer nicht Merkel wähle, werde eine rot-rot-grüne Koalition bekommen. Und wer AfD wähle, entscheide sich schon vorher für die Opposition.

Aber gerade das wollen manche offenbar: "Wie waren ihre letzten Worte?? Dann lieber eine starke Opposition??", fragt eine Besucherin auf Seehofers Facebookseite. "Sie haben das Volk nur hingehalten, danke für die Verarsche, Herr Seehofer." Etwa 109 000 Facebook-Freunde hat der CSU-Chef, seit Montag sind es 400 weniger. Über Parteiaustritte ist nichts bekannt. Jene, die des Streits mit der CDU überdrüssig waren, gibt es allerdings auch: "Die beiden Parteien müssen zusammenhalten", schreibt einer. Die Obergrenze werde kommen, "so oder so".

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SZ vom 01.02.2017
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