Süddeutsche Zeitung

Umstrittene Fusion:Augsburg steht unter Strom

Lesezeit: 4 min

Von Stefan Mayr, Augsburg

Dieses umstrittene Großprojekt entzweit die Geister. Es geht um viele Millionen Euro, es geht um Arbeitsplätze und um viele Emotionen. Auf dem Spiel steht auch die Glaubwürdigkeit von Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) und die Zukunft der schwarz-roten Großkoalition mitsamt dem grünen Juniorpartner. Auslöser des Konflikts: Die Energiesparte der Stadtwerke Augsburg (SWA) und die Erdgas Schwaben GmbH (EGS) wollen künftig enger zusammenarbeiten, im April soll der Stadtrat über eine Fusion entscheiden.

Welche Argumente die Gegner der Fusion anführen

Die Befürworter sehen darin einen überfälligen Schritt in die Zukunft, sie erhoffen sich zusätzliche 14 Millionen Euro Erlöse für die Stadtwerke. Die Gegner prophezeien die Preisgabe der kommunalen Selbstverwaltung und eine Einflussnahme von Aktionären auf das bislang hundertprozentige Tochterunternehmen der Stadt, welches die Bürger nicht nur mit Strom versorgt, sondern auch mit Straßenbahn, Bussen und Trinkwasser.

Gegen die Fusionspläne hat sich die Initiative "Augsburger Stadtwerke in Augsburger Bürgerhand" gegründet. Sie sammelt Unterschriften, um den Zusammenschluss per Bürgerentscheid zu verhindern. Der Widerstand hat auch Teile der regierenden Parteien erfasst: Ein SPD-Ortsverein sammelt bereits gegen die Linie der eigenen Stadtratsfraktion fleißig mit, und an der Basis der Grünen rumort es gewaltig. Kurzum: Das Projekt "Energiestandort Augsburg 2015" entwickelt sich langsam zur Zerreißprobe der Dreier-Koalition, die erst vor knapp einem Jahr mühsam gezimmert wurde.

Was eine Luxus-Zeitung mit dem Streit zu tun hat

OB Gribl veröffentlichte am Mittwoch eine vierseitige Pressemitteilung, die mit den Worten beginnt: "Es gibt keine Konfliktsituation". Das klingt unfreiwillig komisch angesichts der massiven Kritik, die von vielen Seiten auf ihn einprasselt. Die Bürgerinitiative wirft dem Stadtoberhaupt unlauteres Verhalten vor - und dies gleich in mehrfacher Hinsicht: "Obwohl der Oberbürgermeister stets von einer ergebnisoffenen Prüfung spricht und es noch keine Entscheidung des Stadtrats gibt, läuft schon eine offensive Werbekampagne", sagt Bruno Marcon von der globalisierungskritischen Organisation Attac, der als Sprecher der Bürgerinitiative fungiert.

Sein Ärger - und der vieler Mitbürger - entzündet sich an einer Luxus-Zeitung, die SWA und EGS produziert und unters Volk gebracht haben: Zwölf Seiten im rheinischen Format. Strahlend weißes, dickes, hochwertiges Papier. "Stark machen für die Zukunft", lautet die Titelzeile. In der Zeitung werden mit modernem Layout und bunten Grafiken alle Vorteile einer Fusion beschrieben. 85 000 Euro ließen sich die Unternehmen diese aufwendigst gestalteten Seiten kosten, sie lagen bereits allen Lokalzeitungen der Stadt bei. Gegner der Fusion kritisieren das Blatt als einseitige und unzulässige Propaganda. Ein Stadtwerke-Sprecher beruft sich dagegen auf den Auftrag des Stadtrats und betont: "Wir sehen es als unsere Pflicht an, die Bürgerinnen und Bürger bei diesem wichtigen Vorhaben umfangreich zu informieren."

Insgesamt geben SWA und EGS 135 000 Euro aus, um auch in der Fußgängerzone via Infostand und im Internet die Meinungshoheit in der Fusions-Debatte zu gewinnen. Da die Stadtwerke ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Stadt sind und als solche auch 35,1 Prozent der EGS-Anteile halten, haben diese Kampagne zum Großteil die Bürger mit ihren Steuern bezahlt. Auf der Titelseite der zwölfseitigen "Bürgerinformation" meldet sich auch OB Gribl zu Wort. "Unsere Stadtwerke-Energiesparte muss im Wettbewerb langfristig gestärkt werden", fordert er. Er spricht von "hohen Sicherungschancen bei einer Fusion". Klingt so jemand, der einen Prozess lediglich "ergebnisoffen" begleiten will? Nein, sagen die Bürgerinitiative, viele Oppositionspolitiker und auch Grünen-Sprecher Matthias Strobel: "Das ist alles andere als ergebnisoffen."

Zusätzlichen Unmut zog sich Gribl zu, indem er aus allen rhetorischen Rohren gegen das Bürgerbegehren schoss: Zunächst sprach er den Augsburgern indirekt die Kompetenz ab, das komplexe Thema überhaupt beurteilen zu können. "Herr Gribl spricht den Bürgern das Recht ab, über die Fusion zu entscheiden", schimpft Bruno Marcon, "da muss er sich Fragen zu seinem Demokratieverständnis gefallen lassen." Obendrein hat Gribl das Bürgerbegehren als "Ablenkungsmanöver" und "irreführendes Unding" bezeichnet. Und er bezweifelt sogar die Zulässigkeit der Fragestellung.

Die Initiatoren wollen sicherstellen, dass alle vier SWA-Töchter (Energie, Wasser, Verkehr, Netze) im vollständigen Eigentum der Stadt bleiben. So mancher Augsburger mag diese Frage als berechtigt erachten - Gribl aber wirft den Unterschriften-Sammlern vor, sie wollten die Bürger "überlisten". Dieser Argumentation folgen viele Menschen nicht - auch nicht der grüne Regierungspartner. Er hat ein eigenes, unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben. Bis Mitte April soll ein Uni-Professor prüfen, ob das Bürgerbegehren wirklich unzulässig ist oder nicht.

Was die Machbarkeitsstudie ergeben hat

Den Fusions-Verhandlungen war eine Machbarkeitsstudie vorausgegangen. Darin sahen Unternehmensberater die Chance, im Falle einer Fusion durch Synergie-Effekte 14 Millionen Euro zusätzlich zu erlösen. An der Erdgas Schwaben GmbH ist zu 64,9 Prozent die Thüga AG beteiligt, die sich selbst als "das größte Netzwerk kommunaler Energie- und Wasserdienstleister in Deutschland" bezeichnet. In ihr haben sich etwa 100 Stadtwerke zusammengeschlossen. Bei einer Fusion würde die Thüga etwa 25 bis 30 Prozent der Anteile der neuen Firma erhalten. Der große Rest bliebe in Händen der Stadt, allerdings wäre die neue Firma eben keine hundertprozentige Tochter mehr. Die Thüga hätte auch eine Sperrminorität, damit könnte sie bei so mancher grundsätzlichen Entscheidung ihr Veto einlegen. Deshalb befürchten die Fusionsgegner, dass die städtische Wasserversorgung und der öffentliche Nahverkehr irgendwann von renditegetriebenen Aktionären beeinflusst werden könnten.

Der grüne Umwelt-Referent Reiner Erben beteuert dagegen, die Stadtwerke würden - ganz im Gegenteil - profitieren: "Je stärker die Energie-Sparte dasteht, desto mehr Quersubventionen für Bus und Bahn sind möglich." Gribl und Erben betonen auch, der Stadtrat habe bereits festgelegt, dass auch bei einer Fusion die Sparten Wasser und Verkehr zu 100 Prozent bei den Stadtwerken bleiben und dass es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt. "Klares Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und dadurch langfristig eine sichere und preisgünstige Energieversorgung zu gewährleisten", sagt OB Gribl.

Auf ihrer letzten Seite hat die zwölfseitige "Bürgerinformation" in der Überschrift das Ausrufezeichen ausgepackt: "Das Bürgerbegehren von Attac ist nicht im Sinne der Stadtwerke!". Die Gegner halten mit einem einfachen DIN-A4-Flugblatt dagegen. Momentan haben sie etwa 6000 Unterschriften beisammen. Sie brauchen noch etwa das Doppelte.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2015
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