Süddeutsche Zeitung

Traunstein:Arbeit nur mit Bleiberecht

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Landrat schließt Pakt mit Wirtschaft über Jobs für Flüchtlinge

Von Matthias Köpf, Traunstein

Frustrierte Handwerksmeister, verständnislose Geschäftsführer, kopfschüttelnde Kollegen, protestierende Helferkreise und das Ausländeramt in der Defensive. So kommt es immer wieder, wenn die Behörden einen abgelehnten Asylbewerber abschieben wollen, obwohl der in Deutschland Arbeit oder einen Ausbildungsplatz gefunden hat, und sich alle um Integration bemühen. Im Landkreis Traunstein sei das gar nicht allzu oft vorgekommen, sagt Landrat Siegfried Walch (CSU). Trotzdem will er sich, seinen Beamten und, wie er betont, vor allem den Unternehmen solche Erfahrungen ersparen. Er hat darum nun mit der Industrie- und Handelskammer und einigen anderen Wirtschaftsverbänden eine Vereinbarung zur Beschäftigung von Flüchtlingen unterzeichnet.

Kern der Vereinbarung ist es, dass die Unternehmen im Landkreis von Anfang an nur solche Menschen einstellen sollen, die längerfristig in Deutschland bleiben dürfen. Wollen die Firmen Asylbewerber mit laufenden Verfahren einstellen, sollen sie sich laut der Vereinbarung zuerst mit der Ausländerbehörde im Landratsamt abstimmen. Keine Beschäftigung könne es in der Regel für abgelehnte Asylbewerber geben, weil bei ihnen die unverzügliche Abschiebung im Vordergrund stehe. "Wir dürfen nicht selber Abschiebungshemmnisse erzeugen, das wäre ja Wahnsinn", sagt Walch dazu. Noch wichtiger sei es ihm allerdings, die weit verbreitete Unsicherheit in der Wirtschaft zu beseitigen. Denn im Landkreis Traunstein lebten derzeit etwa 1000 Flüchtlinge mit Bleibeperspektive, hauptsächlich aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, Nigeria und Somalia. 800 seien alt genug für eine Arbeit oder Ausbildung, während zugleich viele Unternehmen nach Mitarbeitern suchten. Nur sei es für die Firmen bisher oft schwer abzuschätzen, ob sie jemanden problemlos einstellen könnten oder ob sie doch mit einer baldigen Abschiebung rechnen müssten. Solche Abschiebungen wirkten dann "emotional nicht gut", sagt Walch. Der "Supergau" wäre für ihn aber, wenn die Betriebe aus Unsicherheit gar keine Flüchtlinge mehr einstellen würden. Das schade der Wirtschaft, den Flüchtlingen und auch der Gesellschaft, die dann für sie aufkommen müsse. Walch kündigt branchenspezifische "Thementage" an, die Firmen und Bewerber, speziell auch Flüchtlinge, zusammenbringen sollen. Für Unternehmen gebe es eine Telefonhotline ins Ausländeramt.

Die Broschüre, die das Landratsamt begleitend zur Vereinbarung herausgegeben hat, stellt im Wesentlichen die Rechtslage und deren Interpretation durch die Staatsregierung dar. Der Kritik daran, auch was ohne Einzelfallentscheidung pauschal verweigerte Arbeitserlaubnisse für bestimmte Gruppen betrifft, haben sich oft auch Helferkreise aus dem Landkreis Traunstein angeschlossen.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2018
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