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Mitten in Rottach-Egern:Wenn man mit dem Oligarchen über das Amtsblatt kommunizieren muss

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Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ist Alischer Usmanow eilig abgereist vom schönen Tegernsee. Dabei hätte das Landratsamt da noch eine Baugenehmigung fertig.

Glosse von Matthias Köpf, Rottach-Egern

Die Rechtsbehelfsbelehrung steht auch dabei: Sollte also die Adressatin mit dem Bescheid nicht einverstanden sein, so kann sie "innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe (Zustellung)" beim Verwaltungsgericht München Klage einreichen. Aber warum sollte sie? Das Landratsamt Miesbach hat ja, römisch erstens, alle nachgereichten Änderungen zum ursprünglichen Bauantrag genehmigt: den Verzicht auf den Westbalkon, den größeren Ostbalkon, den Garagenanbau und die zweite Stützmauer.

Allerdings, römisch zweitens: "Die Lakepoint Property Holding ltd. hat die Kosten des Verfahrens zu tragen." Und da wird es schwierig, denn das Landratsamt hat die genannte Briefkastenfirma ja nicht mehr ausfindig machen können im königlich britischen Steuerparadies Isle of Man. Also hat es dem Oligarchen Alischer Usmanow die Genehmigung für seine - je nach Berücksichtigung des Bootshauses - dritte oder vierte Luxusimmobilie am Tegernsee nicht zustellen können, sondern sie jetzt per Amtsblatt bekannt gegeben.

Der Bescheid für die Lakepoint Property Holding ltd. teilt sich das Miesbacher Amtsblatt 01/2023 nun etwa mit der Haushaltssatzung des Zweckverbands Ringbergfriedhof, der 1. und 2. Änderung der Verordnung zum Landschaftsschutzgebiet "Tegernsee und Umgebung" sowie den Jahresabschlüssen 2021 der beiden Kommunalunternehmen Frischeküche Holzkirchen und Alpenregion Tegernsee Schliersee. Wobei der Landkreis Letzteres inzwischen umstrukturiert hat, aber das hat Usmanow ja offenbar auch, nachdem er kurz nach Russlands Angriff auf die Ukraine eilig abgereist war vom Tegernsee. Die EU zählt den in Putins Russland märchenhaft reich gewordenen Oligarchen zu den aktiven Unterstützern des Kriegs und hat ihn mit Sanktionen belegt.

Während Usmanow das alles stets abstreiten lässt, zeigen sich auch deutsche Steuerbehörden und Strafverfolger überzeugt, dass all die briefkastenfirmeneigenen Immobilien ihm zuzurechnen seien. Dass an seiner dritten Villa allein am Tegernsee nichts mehr vorangeht, liegt aber weniger an der unzugestellten Genehmigung. Vielmehr berichtet die Tegernseer Zeitung von Baufirmen, die hohe Rechnungen offen hätten. Und falls Usmanow, anders als es die Steuerfahnder ermitteln wollen, seinen steuerlichen Erstwohnsitz wirklich nicht hier gehabt haben sollte, so könnte die Gemeinde Rottach-Egern ihm die Rechnung für ihre Zweitwohnungsteuer ja per Amtsblatt bekannt machen.

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