Süddeutsche Zeitung

Streit um Hypo Alpe Adria:Söder vergleicht Österreich mit Griechenland

Lesezeit: 3 min

Von Harald Freiberger, Frank Müller und Stephan Radomsky, Frankfurt/München

Das Vorgehen Österreichs bei der Skandalbank Hypo Alpe Adria erschüttert zunehmend die Finanzmärkte. Deutsche Banken drohen in diesem Jahr einen großen Teil ihrer Gewinne zu verlieren, weil Österreich die Schulden der Hypo Alpe seit Kurzem nicht mehr bedient und die Geldgeber deshalb die Anleihen des Instituts abschreiben müssen. In Frankfurter Finanzkreisen spricht man von einem "Schmierenstück" Österreichs. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung rollt bereits eine Klagewelle gegen das rechtlich fragwürdige Vorgehen an.

Im Hintergrund geht es um eine Frage, die das Vertrauen in die europäischen Kapitalmärkte erschüttern kann: Was ist eigentlich eine Staatsgarantie noch wert? Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) hat vor zehn Tagen einen bisher einmaligen Schritt vollzogen: Es fror alle Anleihen ein, die die Hypo Alpe Adria ausgegeben hat und stoppte die Zahlung der Zinsen. Etwa acht Milliarden Euro solcher Anleihen sind auf dem Markt, ein großer Teil davon, geschätzte drei Milliarden Euro, liegt in den Händen deutscher Finanzinstitute.

Es geht um dreistellige Millionen-Beträge

Zu den Geldgebern der Hypo zählen unter anderen die Münchener Rück mit einem dreistelligen Millionenbetrag sowie die staatliche Pfandbriefbank pbb und die Dexia Kommunalbank Deutschland mit je 395 Millionen Euro. Die Düsseldorfer Hypothekenbank hatte Ende 2013 Hypo-Papiere von 348 Millionen Euro im Bestand, bei ihr ist das Eigenkapital in Gefahr, warnte die Ratingagentur Fitch.

Auch die Hypo-Vereinsbank (HVB) ist unter den Gläubigern, es geht um einen "niedrigen dreistelligen Millionenumfang", sagte Bank-Chef Theodor Weimer am Donnerstag bei der Vorlage der Jahresbilanz. Die österreichische Finanzaufsicht will mit ihrem Schritt die Insolvenz des Instituts verhindern. Denn kurz zuvor hatten Wirtschaftsprüfer ein weiteres Kapitalloch von 7,4 Milliarden Euro bei der Skandalbank entdeckt.

Wie das Loch zustande kam? Ein "Mysterium"

Die Hypo Alpe Adria expandierte über Jahre mit Milliarden, für die das Bundesland Kärnten garantierte, in den Balkanländern. Die Landesbank Bayern, die selbst expandieren wollte, kaufte die Hypo Alpe im Jahr 2007. Doch die entpuppte sich als Milliardengrab, weil die Geschäfte auf dem Balkan schiefgingen. 2009 kaufte die Republik Österreich die Bank wieder zurück - für einen Euro. Sie überführte die Hypo Alpe Adria in die "Bad Bank" Heta, bei der nun die neuen Risiken auftauchten. Selbst für die Finanzaufsicht ist es ein "Mysterium", wie das Loch zustande kam.

Sie will sich nun ein Jahr lang Zeit nehmen, um Beteiligungen auf dem Balkan zu verkaufen. Dann wird Inventur gemacht. Es gilt aber schon als sicher, dass Heta seine Anleihen nicht voll zurückzahlen kann. Von einem Schuldenschnitt um bis zu 50 Prozent ist die Rede.

Die Folgen sind gravierend, gerade für deutsche Institute. Ein Schuldenschnitt könne den Sektor bis zu zehn Prozent des Jahresgewinns für 2015 kosten, warnte Fitch. Die BayernLB hat zudem zwei Milliarden Euro an Krediten bei der Heta stecken, es gibt darüber bereits einen Rechtsstreit.

Österreich - der nächste große Problemfall?

"Jetzt ist es kein bayerisch-österreichisches Problem, sondern ein österreichisch-deutsches", sagte am Donnerstag Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). Er zog sogar eine Parallele zwischen dem Verhalten der Regierungen Österreichs und Griechenlands. In Wien fielen derzeit Worte, die man ansonsten "nur aus Athen" höre. "Die Art und Weise, wie Wien auftritt, ist natürlich eine echte Schwachstelle in der europäischen Finanzarchitektur und könnte nach Griechenland zum nächsten großen Problemfall werden."

Viele deutsche Institute hatten Hypo-Anleihen gekauft, für deren Rückzahlung Kärnten garantierte. Doch nun ist fraglich, ob es mit seinem dünnen Finanzpolster zu dem Versprechen steht und die Verluste von Investoren ausgleichen kann. Kärnten bürgt mit 10,2 Milliarden Euro für Heta; der Jahresetat des Bundeslandes liegt aber nur bei zwei Milliarden Euro.

Klagen gegen Österreich

Das Vorgehen Österreichs zieht auch andere öffentliche Garantien in Zweifel. "Das Papier der Hypo Alpe Adria galt als risikofrei, weil es mit einer Garantie eines österreichischen Bundeslandes versehen war", sagt Commerzbank-Chef Martin Blessing. "Indem diese nun umgangen wird - wie kann man dann noch Papiere deutscher Landesbanken mit Staatsgarantien als risikolos einstufen?" Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon kritisierte, Österreich setze sich "über das Grundverständnis des internationalen Finanzmarktes hinweg".

Erste deutsche Banken planen Klagen gegen Österreich. Es gibt nach Ansicht der Kanzlei White & Case auch die Möglichkeit, in Deutschland zu klagen, da viele der Anleihen nach deutschem Recht ausgegeben wurden. "Das Thema wird die Finanzmärkte über Monate beschäftigen", heißt es in Finanzkreisen. "Alle sind sich einig, dass es fatal wäre, wenn Österreich mit seinem Vorgehen durchkäme."

Es gehe nicht nur um Österreich, sondern um die grundsätzliche Frage: Wie viel ist eine Staatsgarantie in Europa noch wert, wenn Österreich das Abwicklungsrecht missbrauche? Wenn das gelinge, könnten auch andere Staaten auf die Idee kommen. Gläubiger könnten sich dann nicht mehr darauf verlassen, ihr Geld zurückzubekommen. HVB-Finanzvorstand Peter Hofbauer - selbst Österreicher - sagte, er gehe davon aus, dass am Ende alle Schulden bezahlt werden. Sein Heimatland sei reich und könne, anders als Griechenland, die Kosten für die Abwicklung einer Bank schultern. Dennoch sei er froh, in einem geeinten Europa zu leben - schließlich sei es nicht lang her, dass in ähnlichen Situationen zu Gewalt gegriffen wurde, um Geld einzutreiben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2390259
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.03.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.