Süddeutsche Zeitung

Florian von Brunn:Alle reden wieder über die SPD

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Allerdings aus fragwürdigem Anlass: Der neue Chef Florian von Brunn provoziert im Landtag mit einem Hitler-Satz. Und schon stellt sich die Frage, ob sich die SPD mit ihrem neuen Anführer einen Gefallen getan hat.

Von Andreas Glas, München

Florian von Brunn hätte das erst mal sacken lassen können. Er wäre ja eigentlich gar nicht mehr dran gewesen als Redner im Landtag. Der Letzte auf der Liste war Klaus Holetschek, der Gesundheitsminister, danach sollte diese Debatte zu Ende sein. Holetschek (CSU) trat also nach vorne, ans Mikro, hielt Brunn eine "Strategie des politischen Lautsprechertums" vor - und diagnostizierte darin eine "Verbindung, die jetzt neu ist, auch zwischen SPD und AfD". Wie gesagt, Brunn hätte das sacken lassen können, bevor er reagiert. Tat er aber nicht. Und jetzt? Ist da die Frage, ob Brunn der SPD mit seiner spontanen Reaktion einen Gefallen getan hat. Und: Ob sich die SPD einen Gefallen getan hat, Brunn zu ihrem Anführer zu machen.

"Das Wichtigste ist, dass wir wieder wahrgenommen werden", hat Brunn Mitte Mai gesagt, nachdem er (mit Ronja Endres) zum neuen SPD-Landeschef und dann zum Chef der SPD-Landtagsfraktion gewählt worden war. Nun, nur drei Wochen nach Brunns Aufstieg zum starken Mann der Sozialdemokraten, kann man feststellen: Im politischen München reden tatsächlich wieder alle über die SPD - nämlich darüber, dass der Sozi Brunn nun mit einer Rüge von Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) rechnen muss. "Dieser Vergleich ziemt sich einfach nicht. Eine demokratische Partei, deren Gründungsväter teilweise selbst in Konzentrationslagern einsaßen, darf man nicht in die Nähe von Nazis rücken", sagte Aigner am Mittwoch. Sie meinte nicht Holetscheks Vergleich der SPD mit der AfD - sondern Brunns Reaktion darauf, noch in der Debatte tags zuvor im Landtag.

Da hatte Brunn eine weitere Wortmeldung beantragt - und sich seinerseits empört, dass CSU-Mann Holetschek die SPD gerade "in die "Nähe von Rechtsradikalen" gerückt habe. Danach sagte Brunn den Satz, für den ihm die Landtagspräsidentin nun eine Rüge verpassen will: "Die Vorgänger der CSU waren die Steigbügelhalter von Adolf Hitler." Eine "unglaubliche Entgleisung", twitterte CSU-Generalsekretär Markus Blume wenig später.

In der SPD fühlen sich Brunns Gegner bestätigt, dass er der Falsche ist

Auch in der SPD selbst fühlen sich nun manche bestätigt, die den lautstarken Brunn für ungeeignet hielten für die Chefrolle in der SPD. Und da gibt es ja gar nicht mal so wenige. Der Abgeordnete Harald Güller etwa bescheinigte Brunn in den Nürnberger Nachrichten "einen Führungsstil, der mir persönlich nicht gefällt". Andere Fraktionsmitglieder formulierten das hinter vorgehaltener Hand wesentlich drastischer. Entsprechend knapp fiel das Votum für Brunn als neuem Chef der SPD-Landtagsfraktion aus: zwölf zu zehn.

"Zehn wussten es und zwölf wollten es nicht glauben", dass Brunn der Falsche sei, sagt eines von jenen zehn Mitgliedern der Fraktion, die Brunn verhindern wollten. "Unglücklich", dieses Wort fällt in den Reihen der Brunn-Skeptiker, fragt man in der SPD nach dem Hitler-Satz. Dass die Wahl des Polarisierers Brunn die Stimmung in der gespaltenen Fraktion erst recht vergiften könnte, hatten ja selbst manche seiner Sympathisanten befürchtet. Solche Auftritte, wie am Dienstag im Landtag, dürften nicht automatisch dazu beitragen, dass die Furcht abnimmt.

Im Brunn-Lager nehmen sie ihren Chef in Schutz. SPD-Generalsekretär Arif Taşdelen twitterte, Brunn habe nur historische Fakten beschrieben. "Die Bayerische Volkspartei und die Zentrumspartei waren die Vorgänger der Unionsparteien. Sie haben beide dem Ermächtigungsgesetz der Nazis zugestimmt", so Taşdelens Reaktion auf den Tweet von CSU-Generalsekretär Blume. Der wies seinerseits darauf hin, dass die CSU-Gründer teils KZ-Häftlinge gewesen und von den Nazis verfolgt worden seien. Blume empfahl Brunn deshalb, dass er "sich schämen" solle.

"Tatsächlich sollte sich Herr Holetschek schämen", findet Brunn. Der CSU-Minister habe "zuerst ausgeteilt". Er könne doch nicht zulassen, dass seine SPD "in einen Topf" mit der AfD geworfen werde. Es sei "eine hitzige Debatte von beiden Seiten" gewesen, sagt Brunn über die Diskussion zur Maskenaffäre, die er am Dienstag selbst auf die Tagesordnung gesetzt und dabei heftig gegen die CSU geschossen hatte.

Der CSU warf Brunn "Amigowirtschaft" vor und Minister Holetschek mangelnden Willen zur Aufklärung der Affäre - was Holetschek scharf zurückwies und Brunn dann eben bescheinigte, er wolle sich durch "Lautsprechertum" und auf Kosten der CSU nur wichtig machen. Auch die CSU-Redner zuvor hatten sich in einem orchestriert wirkenden Zusammenspiel am Lautsprecher-Ruf abgearbeitet, der Brunn vorauseilt. Statt seriös und sachlich zu arbeiten, wolle er durch "Abladen von Schmutz" auf andere Kapital für die SPD herausschlagen, sagte etwa Bernhard Seidenath.

Jahrzehntelang gab es keine Rügen im Landtag - in dieser Legislaturperiode schon 17

Brunn aber denkt nicht daran, seinen Stil zu ändern. Er sei gewählt, um Schluss zu machen "mit der Leisetreterei". Die SPD müsse "auch darüber wahrgenommen werden, dass wir deutlich Stellung beziehen in Konflikten", daher auch seine Reaktion am Dienstag. Und so ein Schlagabtausch mache das Parlament doch auch "spannender", findet Brunn. Dass Ilse Aigner am Dienstag im Ältestenrat des Landtags eine Rüge gegen ihn angestoßen hat, habe er "mit Überraschung erfahren". Er wisse ja, "dass die Präsidentin absolut neutral ist", darum gehe er davon aus, dass sie nun auch eine Rüge gehen ihren Parteikollegen Holetschek prüfe, sagt Brunn, was man auch spöttisch verstehen kann.

Dem Vernehmen nach war man sich im Ältestenrat mehrheitlich einig, dass Brunn mit seinem Hitler-Satz über das Ziel hinaus geschossen ist. Laut Teilnehmern erinnerte Vizepräsident Markus Rinderspacher (SPD) aber auch daran, dass Brunns Urgroßtante die SPD-Politikerin Toni Pfülf gewesen sei, die 1933 im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt habe. Ja, es sei eine "zugespitzte Formulierung" gewesen, man müsse aber berücksichtigen, dass Brunns Emotionen auch vor dessen Familienhintergrund zu sehen seien.

CSU-Minister Holetschek legt Wert darauf, dass er keinesfalls eine Nähe zwischen SPD und AfD sehe - sondern nur Parallelen in der Strategie, wenn es um Kritik an den Maskengeschäften gehe. Auch Brunn sagt, dass ihm bewusst sei, dass es unter den CSU-Gründern Widerstandskämpfer gegeben habe. Das klingt dann doch ein wenig versöhnlicher. Versöhnlich genug, um die Landtagspräsidentin doch noch zu besänftigen? Abschließend muss das Präsidium über die Rüge befinden, in einer gesonderten Sitzung in der kommenden Woche. Nachdem es jahrzehntelang keine Rügen im Landtag gegeben hatte, gab es in dieser Legislaturperiode bereits satte 17. Bis auf eine galten alle: der AfD.

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SZ vom 10.06.2021
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