Süddeutsche Zeitung

Schweinfurt:4000 Euro Strafe für gefälschten Leserbrief

Lesezeit: 2 min

Von Olaf Przybilla, Schweinfurt

Hannes Helferich wusste erst gar nicht, was die Leute von ihm wollen. Als er dann mehrmals auf einen Leserbrief angesprochen wurde, den er angeblich geschrieben haben soll, blätterte er nach und fand in der Süddeutschen Zeitung tatsächlich einen in seinem Namen verfassten Text. Der Leserbrief rief dazu auf, man möge Asylbewerber nach Schweinfurt bringen. "In Schweinfurt herrscht ein sehr ausländerfreundliches Klima und die Stadt ist dringend auf den Zuzug junger Menschen angewiesen, da sie völlig überaltert ist", stand da. Und: "Das Rathaus heißt Ausländer willkommen." Helferich ist Redakteur des Schweinfurter Tagblatts, geschrieben hat er diese Zeilen nicht. Der tatsächliche Schreiber, ein pensionierter Arzt der Würzburger Universitätsklinik, hat jetzt einen Strafbefehl akzeptiert. Wegen Urkundenfälschung muss er 4000 Euro zahlen.

Helferich hatte immer wieder über den früheren Stadtrat berichtet, auch über dessen rechtslastige Ansichten. Nachdem der Arzt 1996 über die Liste der Republikaner in den Stadtrat gewählt worden war, drohte er Autoren einer Jugendseite der Main Post an, sie sollten sich schon mal nach einem "Reserveasyl-Land" umsehen. Für den Fall, dass ein "Systemwechsel" eintrete. Was später ein Redakteur der Welt zu lesen bekam, war von anderem Kaliber.

Stadtrat wegen Volksverhetzung verurteilt

Der Redakteur hatte sich in einem Kommentar mit rechter Gewalt und dem gewaltsamen Tod Alberto Adrianos in Dessau auseinandergesetzt. Der Universitätsarzt schrieb ihm, da habe jemand aus "Notwehr gegen Überfremdung" gehandelt, und drohte, er und seine Freunde würden sich an den Journalisten erinnern, sollte der "Tag der Vergeltung" kommen. Auch Richter, die "volksfeindliche Urteile" fällten, werde man sich vorknöpfen. Der Redakteur ließ dieses Schreiben der Staatsanwaltschaft zukommen. Der damalige Stadtrat wurde wegen Volksverhetzung verurteilt.

Auch Helferich wollte die Sache mit dem gefälschten Leserbrief nicht auf sich sitzen lassen. Er ließ sich den Text aus dem Juli 2014 kommen und sah, dass er auf einer alten Schreibmaschine mit bestimmtem Schriftbild geschrieben worden ist. Im Archiv des Schweinfurter Tagblatts fanden sich Texte, die diesem Brief in Duktus und Kommasetzung verdächtig ähnlich waren. Damit konfrontiert bat der Pensionist in einem schwülstigen Schreiben um Entschuldigung. Er hoffe, dass Helferich wegen dieses Briefes keine Probleme bekommen habe. Und er bitte den Redakteur, auf eventuelle "Maßnahmen" zu verzichten.

Helferich wollte das aber nicht und stellte Strafantrag. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist der Brief "eine Fälschung im Rechtsverkehr", sagt Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht. Ein öffentliches Verfahren wäre Helferich allerdings lieber gewesen. "Ich hätte gern gewusst, wie er sich für diese Dreistigkeit rechtfertigt", sagt er. Dazu wird es nicht kommen. Nachdem der Leserbrief-Fälscher gezahlt hat, ist der Strafbefehl rechtskräftig.

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Quelle:
SZ vom 20.08.2015
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