Süddeutsche Zeitung

Schlachthöfe in Bayern:"Die Tiere werden unnötig gequält"

Lesezeit: 2 min

Von Katrin Langhans und Eva Achinger, München

Die Landtagsopposition fordert das Verbraucherschutzministerium auf, härter gegen die massiven Tierschutzverstöße an bayerischen Schlachtbetrieben durchzugreifen. "Es muss strengere Kontrollen geben", sagt Rosi Steinberger, die tierschutzpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen. "Die Zustände an manchen bayerischen Schlachthöfen sind kaum zu ertragen. Die Tiere werden unnötig gequält und als Ware behandelt."

Die Süddeutsche Zeitung und BR Recherche hatten am Mittwoch aufgedeckt, dass schwere Tierschutzmängel, die bereits 2014 in einer Studie festgestellt wurden - entgegen einer Aussage des Verbraucherschutzministeriums im Frühjahr -, nicht behoben worden sind. Mehrere Betriebe haben wiederholt Probleme mit der Betäubung von Schweinen. Tiere, die unzuverlässig betäubt waren, erlitten zum Teil schmerzhafte Stromstöße. Ein schlampig betäubtes Tier wird außerdem dem Risiko ausgesetzt, aufzuwachen, wenn es mit einem Stich in die Kehle getötet wird.

Die Recherchen zeigen, dass mehrere Schlachtbetriebe trotz Nachschulungen und Umbauten weiterhin gegen gesetzliche Vorgaben zum Tierschutz verstoßen und die Betäubung der Tiere nicht sicher im Griff haben.

Herbert Woerlein von der SPD-Landtagsfraktion fordert das Ministerium auf, die "tatsächlichen Zustände" an bayerischen Schlachtbetrieben aufzuklären und das Tierwohl stärker zu berücksichtigen. Auch Benno Zierer, der umweltpolitische Sprecher der Freien Wähler, sieht Handlungsbedarf: "Die Höhe der Bußgelder muss Betriebe, die schlampig arbeiten oder das Tierwohl bewusst missachten, empfindlicher treffen."

Bußgelder liegen oft nur im dreistelligen Bereich oder werden erst gar nicht verhängt. Grundlage der Recherche war eine Studie des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), die im Frühjahr zeigte, dass viele Mitarbeiter an bayerischen Schlachtbetrieben nicht in der Lage sind, die Betäubungsgeräte richtig anzuwenden. Eine Mitarbeiterin des LGL untersuchte 20 der größten Schlachtbetriebe Bayerns von Januar 2014 bis Januar 2015. Bei jedem vierten elektrisch betäubten Schwein verlief die Betäubung nicht reibungslos. Ein so nahes und brutales Bild über das, was sich hinter bayerischen Schlachthofmauern abspielt, hat es zuvor nicht gegeben.

Insider der Branche führten zu den Betrieben

Allerdings waren die Betriebe in der Studie anonymisiert. Die Schlachthof Betriebs GmbH Fürth scheiterte mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Ansbach damit, zu verhindern, dass SZ und BR eine Liste der betroffenen Betriebe erhalten. Das LGL überreichte die Liste - allerdings ohne die Betriebe den Mängeln in der Studie zuzuordnen. Dies gelang aber in vielen Fällen mithilfe von Insidern der Branche. Der Geschäftsführer von der Schlachthof Betriebs GmbH Fürth ist ein Sonderfall, er plauderte seine Kontrollnummer selbst spontan in einem Telefoninterview aus. In der Studie liest man, dass der Schlachthof bereits im Jahr 2014 negativ auffiel, weil das Personal die Betäubungszange nicht immer richtig anwenden konnte, schlecht betäubte Tiere nicht eigenständig erkannte oder nur nach Aufforderungen des Kontrollpersonals nachbetäubte.

Eins von zehn Schweinen schrie aufgrund schmerzhafter Stromstöße bei der Betäubung. Der Betrieb erfüllte gerade einmal etwa die Hälfte der gesetzlichen Vorgaben zur Betäubung von Schweinen. Aus den Kontrollunterlagen der Jahre 2015 und 2016 geht hervor, dass es auch im laufenden Jahr - trotz neuer Betäubungsanlage - mehrfach schlampig betäubte Tiere gab. Die Kontrollbehörde hat trotz all dieser Probleme bis heute kein Bußgeld verhängt. Das Kontrollpersonal hatte in den zwei Jahren vor der Tierschutzstudie keine Probleme bei der Betäubung festgestellt.

Wie kann das sein? Die Behörde schreibt auf Anfrage, es handle sich bei den Verstößen "lediglich um Momentaufnahmen", am Tag der Prüfung im Jahr 2014 habe außerdem ein anderer Metzger die Schlachtung übernommen als üblich, man habe Tiere stets nachbetäubt. Die Geschäftsleitung des Schlachtbetriebes teilt mit, man habe das Personal nachgeschult.

Am Montag räumte das Verbraucherschutzministerium ein, dass bei Nachkontrollen "vereinzelt erneut gravierende Mängel" und im Ergebnis immer noch "geringgradige bis mittelgradige Gesamtmängel" festgestellt worden sind. Das LGL schreibt in einer Pressemitteilung, Ministerin Ulrike Scharf habe das LGL zusätzlich mit der Durchführung eines "Sonderkontrollprojektes Tierschutz" beauftragt. Man wolle "große Schlachtbetriebe" unangekündigt anschauen. Sie sollen von 2018 an von einer Sonderkontrollbehörde kontrolliert werden.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2016
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