Süddeutsche Zeitung

Regensburg:Wenn ein Beschuldigter zum Chefaufklärer wird

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Von Andreas Glas, Regensburg

Am Freitag, um 12.30 Uhr, betritt Ferdinand Schmack den Besprechungsraum seiner Baufirma im Regensburger Osten. Er trägt eine eckige Brille, eine schmale Krawatte und will endlich mal klarstellen, dass er mit der Korruptionsaffäre nichts zu tun hat.

"Wir lassen uns nichts Unmoralisches anhängen", sagt Schmack und ein bisschen nimmt er auch Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) in Schutz, der seit Mitte Januar in Untersuchungshaft sitzt - wegen des Verdachts, er habe sich von Bauunternehmern schmieren lassen. "Es ist naiv zu glauben, dass ein OB allein Baurecht schafft", sagt Schmack. Er sagt es nicht direkt, er lässt aber durchblicken, wo er in der Korruptionsaffäre die Handlanger des Oberbürgermeisters vermutet: in der Regensburger Stadtverwaltung.

Neben zwei weiteren Bauunternehmern verdächtigt die Staatsanwaltschaft auch Ferdinand Schmack, sich den Oberbürgermeister durch hohe Parteispenden gewogen gemacht zu haben. Er lasse sich nicht mit anderen, möglicherweise korrupten Baufirmen "in die gleiche Pfanne hauen", wehrt sich Schmack.

Dass es ein Bestechungssystem gibt, daran scheint der Unternehmer aber keinen Zweifel zu haben. Er spricht ganz offen von einem "System, das seine Schatten aus der Vergangenheit voraus wirft" - und spielt auf die Zeit an, als Wolbergs' Vorgänger noch in Regensburg regierte: Hans Schaidinger (CSU), den die Justiz ebenfalls der Bestechlichkeit verdächtigt.

Die Verhandlungen über Baurecht und Grundstücksvergaben müssten "raus aus den Hinterzimmern", es brauche in Regensburg "einen Neuanfang", die Stadtverwaltung müsse endlich für "transparente Prozesse" sorgen. Wenn man es nicht besser wüsste, man könnte meinen, hier spricht der Chefaufklärer der Regensburger Korruptionsaffäre - und kein Beschuldigter.

Welche Rolle Schmack tatsächlich in der Affäre spielt, muss die Staatsanwaltschaft klären. Doch die Fragen, die der Bauunternehmer am Freitagmittag thematisiert, drängen sich natürlich auf: Was wussten die Mitarbeiter in der Stadtverwaltung über die mutmaßlich illegalen Absprachen zwischen mindestens einem Bauträger und den Oberbürgermeistern Wolbergs und Schaidinger? Hat die Verwaltung ein Korruptionssystem gedeckt, vielleicht sogar unterstützt?

Um diese Fragen ging es auch am Donnerstagabend, im Regensburger Stadtrat. "Warum ist das in der Verwaltung nicht aufgefallen, dass solche Einflussnahmen passieren?", fragte etwa ÖDP-Stadtrat Benedikt Suttner. Auch er findet: "So zu tun, als hätten nur zwei, drei Leute davon gewusst, das ist ein Scherz."

Ähnlich misstrauisch klang Christian Janele (CSB): "Es wird so getan, als ob es das Fehlverhalten eines Einzelnen wäre, aber es ist ein System." Und was sagen die Chefs der Stadtverwaltung zu diesen Vorwürfen? Was Antikorruptions-Maßnahmen angehe, sagte Personal- und Verwaltungsreferent Karl Eckert, sei die Stadt "theoretisch sehr gut aufgestellt".

Dass lediglich in der Theorie alles in Ordnung ist, genügt den Stadträten der Linken allerdings nicht - sie beantragten am Donnerstagabend, die Antikorruptionsrichtlinien der Stadt durch die Nichtregierungsorganisation Transparency International prüfen zu lassen. Ein Vorschlag, der zunächst für Skepsis sorgte bei den Stadträten der sogenannten bunten Koalition, die aus SPD, Grünen, Freien Wählern und der FDP besteht.

Man müsse jetzt erst mal die Staatsanwaltschaft "machen lassen", sagte etwa die Zweite Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD), die derzeit die Geschäfte des suspendierten Oberbürgermeisters führt. Und weiter: "Wir können nur handeln, wenn wir konkret wissen, was wann, wo und wie falsch gelaufen ist." Solange die Ermittlungen der Justiz nicht abgeschlossen seien, "machen Parallelermittlungen wenig Sinn", sagte Maltz-Schwarzfischer.

Am Ende aber stimmten dann doch alle Stadträte dem Vorschlag der Linksfraktion zu, sich Unterstützung von außen zu holen, um Korruption in Zukunft zu verhindern. Der Rest der Debatte bestand überwiegend aus gegenseitigen Schuldzuweisungen der Stadträte - und aus persönlichen Beleidigungen.

Der Höhepunkt: CSU-Stadtrat Christian Schlegl warf Freie-Wähler-Fraktionschef Ludwig Artinger vor, er blockiere die Aufklärung. Dann spielte er darauf an, dass OB Wolbergs einem Verwandten Artingers einen Job in der Verwaltung zugeschanzt haben könnte. Artinger bezeichnete Schlegls Vorwürfe wiederum als "Halbwahrheiten" und konterte: "Halten Sie bitte das Maul!"

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SZ vom 25.02.2017
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