Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:Traunsteiner Papst-Prozess wird verschoben

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Das Landgericht verlegt den Termin für die Zivilklage eines Missbrauchsopfers. Der Grund: Erben des verstorbenen Benedikt XVI. konnten noch nicht ermittelt werden.

Von Matthias Köpf, Traunstein

Das Landgericht Traunstein hat die für kommende Woche angekündigte und mit Spannung erwartete mündliche Verhandlung in der Zivilklage eines Missbrauchsopfers gegen den verstorbenen Papst Benedikt XVI. verschoben. Als Grund nannte das Gericht in einer Mitteilung vom Montag, dass "die Rechtsnachfolger des verstorbenen emeritierten Papstes noch nicht ermittelt werden" konnten. Einen Ersatztermin für die Verhandlung gibt es demnach ebenfalls noch nicht. Er werde derzeit noch mit dem Kläger, den Beklagten und mit den jeweiligen Anwälten abgestimmt.

Das Gericht muss sich mit der Klage eines Mannes befassen, der angibt, in den 1990er-Jahren als Ministrant im oberbayerischen Garching an der Alz vom damaligen Pfarrer H. missbraucht worden zu sein. Der Fall spielt auch im Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl für das Erzbistum München und Freising vom vergangenen Jahr eine prominente Rolle, gilt aber rein strafrechtlich als verjährt. Der Kläger und sein Anwalt Andreas Schulz wollen den Fall dennoch vor ein weltliches Gericht bringen, indem sie in einem Zivilverfahren eine Schadenersatzpflicht der verantwortlichen Kirchenmänner feststellen lassen wollen.

Die Klage richtet sich zum einen direkt gegen den einstigen Garchinger Pfarrer, der schon im Bistum Essen wegen pädophiler Taten aufgefallen war, ehe er 1980 ins damals von Joseph Ratzinger und später von Friedrich Wetter geführte Erzbistum München und Freising versetzt wurde. Zum anderen richtet sich die Klage gegen das Erzbistum sowie gegen Wetter und Ratzinger. Denn auch nachdem er 1986 wegen Missbrauchs mehrerer Jugendlicher in der Pfarrei Grafing zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden war, schickte das Erzbistum den Pfarrer weiter nach Garching, ohne die Gemeinde über die Vorgeschichte zu informieren.

Weil es in dem Verfahren nicht um eine strafrechtliche Bewertung, sondern um Feststellung eines Schadenersatzanspruchs geht, hat es sich im Falle Ratzingers auch nicht mit dessen Tod am 31. Dezember erledigt. Denn statt Ratzinger könnten nun seine Erben schadenersatzpflichtig werden. Wer genau diese Erben sein könnten, ist jedoch auch dem Gericht noch nicht klar. Nahe Verwandte gibt es nicht mehr, Ratzingers Schwester und sein Bruder sind vor ihm gestorben und hatten wie er selbst keine Nachkommen.

Nach Angaben von Benedikts Testamentsvollstrecker und früherem Privatsekretär Georg Gänswein aus einem Interview mit der dpa hat Benedikt keinen Erben eingesetzt, weshalb die gesetzliche Erbfolge nach vatikanisch-italienischem Recht gelte. Die möglichen Erben würden angeschrieben, ihre Antworten stünden noch aus. Sie könnten das Erbe, das laut Gänswein höchstens aus Geld von Benedikts Konto besteht, auch ausschlagen und sich so den Traunsteiner Prozess ersparen. Ratzingers persönliche Gegenstände und die Rechte an seinen Büchern seien nicht Teil des Erbes.

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