Süddeutsche Zeitung

TSV Böbrach:Bayerns schlechteste Fußballmannschaft kämpft ums Überleben

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Aber nicht auf dem Spielfeld, wo sie in den vergangenen Jahren sogar Kultstatus erreicht hat.

Von Hans Kratzer, Böbrach

Es war schon eine verrückte Entwicklung: Der im Landkreis Regen beheimatete TSV Böbrach gilt zwar seit Jahren als der erfolgloseste Fußballverein in ganz Bayern, aber gerade deshalb hat er einen Kultstatus erreicht. Einmal verloren die Böbracher ein Spiel mit 0:27, selten kassierten sie weniger als zehn Tore. In der vorigen Saison schossen sie in der A-Klasse Viechtach gerade mal vier Tore. Und das, obwohl mancher Fan am Spielfeldrand, den Finger in der Bierflasche, tolle Ratschläge parat hatte: "Ihr müssts einfach mehr nach vorne spielen."

Kein Wunder, dass der Jubel groß war, als die Böbracher, die auf dem Spielfeld meistens nur in puncto Gewicht, Grobmotorik und Hüftsteifigkeit überlegen sind, am vergangenen Wochenende in einem Freundschaftsspiel sensationell mit 3:2 siegten. Im Amateurfußball geschehen Zeichen und Wunder.

Jahrelang hatten die Böbracher Fußballer unbeachtet um Tore und Punkte gekämpft, dann waren sie plötzlich eine Attraktion. Ausgerechnet in jener Saison, in der sie so schlecht spielten wie nie zuvor, entstand ein Hype. Medien aus allen Teilen Deutschlands rückten an, die Tribüne war voller Zuschauer, Trikots wurden gesponsert, Energydrinks mit dem TSV-Logo kamen auf den Markt, Trikots mit den Unterschriften der Spieler wurden versteigert. In Böbrach wirkten alle glücklich.

"Natürlich haben wir unseren Sieg ausgelassen gefeiert", sagt der Vorsitzende Dennis Günthel. "Endlich haben wir mal erlebt, wie sich Erfolg anfühlt." Doch die Euphorie war schnell wieder verpufft. Denn den TSV Böbrach plagen größere Sorgen denn je. Schon ist von einer drohenden Insolvenz die Rede. "Wenn das so anhält, dann geht der Verein unter", unkt Günthel. Dabei stand der Verein noch im vergangenen Jahr finanziell auf soliden Füßen. Im Fall Böbrach spiegelt sich freilich eine generelle Problematik des Amateurfußballs wider. Der Vereinsbetrieb kostet viel Geld, es mangelt an Nachwuchs, Vereinstreue ist kein Leitbild mehr. Und so mancher Spieler klagt auch, dass ihm das ständige Medieninteresse zu viel wurde.

"Uns brechen schlichtweg die Einnahmen weg", sagt Günthel. Und das bei jährlichen Fixkosten von 15 000 Euro. Die Misere gründet auch darin, dass der Verein neuerdings Akzeptanzprobleme hat. "Wir haben voll den schlechten Ruf in Böbrach", sagt Günthel. Das kommt daher, dass es halt wie überall menschelt. Auf Wunsch vieler Spieler wurde im vorigen Mai eine aus jungen Leuten bestehende neue Vorstandschaft ins Amt gehievt. Die Ablösung verlief ruckelig.

"Ihr habt die alte Vorstandschaft hinausgeekelt, ihr interessiert uns nicht mehr", schimpften etliche Böbracher. 50 Mitglieder traten aus und zahlen keine Beiträge mehr, "da fehlt uns jetzt ein Batzen Geld", sagt Günthel. Und es kam noch schlimmer. Die Böbracher bleiben auch jenen Veranstaltungen fern, die früher Geld in die Kasse spülten. Zur Christbaumversteigerung und zum Oktoberfest erschienen nur noch einige Auswärtige.

"Wenn fast die ganze Vorstandschaft von auswärts ist, da tust dich halt schwer", sagt der alte Vorsitzende Alfons Drexler, der aber nicht an den Untergang glaubt. "In meiner Anfangszeit ging es dem Verein viel schlechter, aber wir haben uns da rausgekämpft." Damals stammten die Spieler allerdings noch alle aus dem Dorf, heute kommen die meisten Spieler des TSV Böbrach ebenfalls von auswärts, während die aus Böbrach stammenden Kicker allesamt bei anderen Vereinen tätig sind. Es ist kurios.

So herrscht beim TSV Böbrach nach einem kurzen euphorischen Aufwallen, das den Verein populär gemacht hat, wieder der graue, sorgenvolle Alltag. Die Tribüne ist bei Heimspielen leer, die Tabelle zeigt schon wieder über 100 Gegentore an, und nirgendwo sind nennenswerte Einnahmen in Sicht. Der schlechteste Fußballverein Bayerns braucht dringend ein Erfolgserlebnis, wenn er auch diese Krise überleben will.

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