Süddeutsche Zeitung

Moosburger Maskenhersteller:Von Null auf viele Millionen

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Drei Unternehmer haben in nur drei Monaten eine Firma aus dem Boden gestampft, die unter anderem die Bundesregierung mit Masken beliefert. Mit der Produktion kommen sie hier kaum hinterher.

Von Alexander Kappen, Moosburg

Als sich der Moosburger Unternehmer Orhan Söhmelioglu und seine Geschäftspartner Sabahattin Incekalan und Volkan Akoglu zu Beginn der Coronakrise im Frühjahr auf die Sache einließen, wussten sie, dass es in gewisser Weise ein großes Abenteuer werden würde. Sie hatten von der Bundesregierung bei einer Ausschreibung den Zuschlag bekommen, diese monatlich mit 14 Millionen medizinischer Masken zu beliefern.

"Ein sportliches Ziel", sagte der gebürtige Moosburger Söhmelioglu Anfang Mai, schließlich musste die Produktion laut Vertrag spätestens am 14. August laufen - dabei hatten die drei Unternehmer zu dem Zeitpunkt zwar die ersten Maschinen schon bestellt, aber weder eine Produktionshalle noch ausreichend Personal oder die nötigen Materialien für die Masken.

Doch das Risiko wurde belohnt. Am 29. Mai wurde die SWS Medicare gegründet, deren Geschäftsführer Söhmelioglu, Incekalan und Akoglu sind. Und dann ging alles sehr schnell. Inzwischen verfügt die Firma über zwei Produktionsstandorte und einen weiteren für ein Lager. 170 Mitarbeiter, teils in Vollzeit und teils als Minijobber, produzieren die Masken, die das Unternehmen in verschiedenen Varianten anbietet: Zertifizierte FFP2-Masken und OP-Masken des Typs IIR sowie Community-Masken, wie man sie aus dem Alltagsgebrauch kennt. Wobei Söhmelioglu darauf hinweist, dass aus Sicht der Fachleute unter Community-Masken eigentlich alles laufe, das nicht zertifiziert ist. Theoretisch könnten das auch FFP2-Masken sein. SWS Medicare jedoch strebe an, für alle Masken Zertifikate zu bekommen.

Nach einer Woche wurden schon Nachtschichten eingeführt

Der Hauptproduktionsort des innerhalb von nur drei Monaten aus dem Boden gestampften Unternehmens befindet sich in Altheim im Landkreis Landshut. Nach der erfolgreichen CE-Zertifizierung der FFP2-Masken Mitte Juli startete am 3. August die Produktion - mit 24 Mitarbeitern in zwei Schichten an fünf Arbeitstagen pro Woche. Nur sieben Tage später wurde eine Nachtschicht eingeführt, ehe am 14. August wie geplant die ersten 500 000 Masken an den Bund ausgeliefert wurden.

Und es ging rasant weiter. Es wurde eine 1200 Quadratmeter große zusätzliche Lagerhalle angemietet, ehe Ende August die Maschinen für die OP-Masken eintrafen. Zum 1. September wurde nach Angaben der Firma schließlich eine weitere "Fertigungsumgebung" in Moosburg angemietet, damit "im Fall von weiteren Pandemieausbrüchen mit Ansteckungen eine Sicherstellung der Lieferfähigkeit gewährleistet werden kann". In Moosburg wird derzeit die Ware verpackt und geprüft. SWS Medicare verfügt dazu auch über ein eigenes Labor. Mit der Produktion "made in Germany" wolle man einen Beitrag zur gesellschaftlichen Versorgungssicherheit leisten, heißt es im Firmenprofil.

Spenden an Feuerwehr und Schulen

Durch die Ankündigung des Gesundheitsministeriums, Senioren und Risikogruppen kostenlos FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen, sei man zuletzt personell schon wieder an die Kapazitätsgrenzen gestoßen, berichtet Orhan Söhmelioglu. "Deshalb haben wir momentan auch 30 Leiharbeiter, obwohl wir das normalerweise nicht machen, weil wir das nicht unterstützen wollen", sagt der Geschäftsführer.

Er und seine Kollegen aus der Unternehmensleitung machen mit den Masken nicht nur gute Geschäfte, sie zeigen sich auch großzügig. "Ob Feuerwehren, Tafeln oder Schulen - wir spenden immer wieder Masken, insgesamt waren es bis jetzt schon 150 000 Stück", sagt Söhmelioglu. Umgerechnet bewege sich die Summe der Spenden schon bald im Bereich von einer Million Euro.

Auch nach Ende der Coronapandemie will SWS Medicare weiter als deutscher Maskenproduzent für das Gesundheitssystem aktiv bleiben und sein Sortiment stetig ausbauen. "Wir planen und bauen auch unsere Produktion schon so auf, dass wir künftig weitere Modelle und Maskenformen anbieten können", sagt Söhmelioglu.

Besondere Bedeutung kommt der heimischen Maskenproduktion, die eine gewisse Unabhängigkeit von Importen aus dem Ausland sicherstellt, aber während der derzeitigen Coronakrise zu. Das zeigte auch kürzlich ein Besuch des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger beim niederbayerischen Autozulieferer Zettl, der nun ebenfalls FFP2-Masken herstellt. Die Frage, ob der Minister sich auch die SWS-Medicare-Produktion schon angesehen habe, verneint Söhmelioglu. Man habe Aiwanger zwar zu einer Besichtigung eingeladen, aber leider eine Absage erhalten.

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SZ vom 19.12.2020
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