Süddeutsche Zeitung

Mittenwald:Warum es auf dem Karwendel knallbunt leuchtet

Lesezeit: 2 min

Von Matthias Köpf, Mittenwald

Bis zur Karwendelweihnacht auf 2244 Metern sind es noch ein paar Tage hin, aber hoch droben über Mittenwald leuchtet das Fernrohr neben der Bergstation schon seit Wochen in christbaumkugelbunten Farben. In der Nacht auf Dienstag erstrahlte das Fernrohr wieder in Grün, doch drunten in der Marktgemeinde wechselt die Alarmstufe allmählich von gelb auf rot.

Nicht weil die Karwendelbahn ihr fernrohrförmiges Natur-Informationszentrum durch die bunte Beleuchtung über Nacht zum Schwarzbau gemacht hat und das Garmischer Landratsamt dazu inzwischen eine Stellungnahme erwartet. Im Ort fragen sie sich eher, ob die Karwendelweihnacht überhaupt stattfinden kann. Denn bis zum 20. Dezember ist die Bahn wegen Revision geschlossen, und ganz sicher sind sie in Mittenwald nicht, dass sie danach den Betrieb wieder aufnehmen kann.

Das Fernrohr des Anstoßes

Vor dem Landratsamt fürchtet sich die Gemeinde dabei weniger, denn dessen Naturschutzabteilung hat nur das Fernrohr im Visier, das schon beim Bau 2008 wegen seiner spektakulären Form und Lage ebenso viel Aufsehen wie Kritik erregte. Seine plötzliche Beleuchtung soll den einen Verheißung sein und ist den anderen ein Gräuel; nach amtlicher Ansicht verstößt sie jedenfalls gegen die Genehmigung des mitten ins Naturschutzgebiet gesetzten Gebäudes.

Doch über das kunterbunte Gleißen zwischen dem sonst so zarten Hütten-Schimmern auf den Bergen haben sie im Dorf bloß die Stirn gerunzelt, bis neulich Jost Gudelius mal wieder aus der nahen Jachenau herübergekommen ist. Gudelius ist Oberst a. D., einstiger Bataillons-Kommandeur der Mittenwalder Gebirgsjäger und sowohl Heeres- als auch ziviler Bergführer. Er hat den Frevel an seinem geliebten Karwendel entdeckt und die Lokalzeitung eingeschaltet. Dieser sagte Bürgermeister Adolf Hornsteiner (CSU) dann, dass die Beleuchtung des Fernrohrs mit ihm nicht abgesprochen gewesen sei. Aber Absprachen mit der Karwendelbahn fallen den Mittenwaldern momentan sowieso nicht leicht.

Denn die Gemeinde hält nur ein knappes Drittel der Aktien an der Karwendelbahn AG. Daneben gibt es einigen Streubesitz und vor allem ein privates 44-Prozent-Paket, das schon einige Eigentümer hatte und 2013 an eine Immobilienbeteiligungsgesellschaft ging. Solche Unternehmen legen Wert auf Gewinne, doch eine Dividende hat die 48 Jahre alte Bahn nach Angaben aus der Gemeinde nur ein einziges Mal abgeworfen.

Die Bahn ist von hohem Wert

Für die Mittenwalder ist ihre Karwendelbahn trotzdem von hohem Wert, denn die wenigsten Gäste all der vielen Hotels und Ferienwohnungen wollen im Sommer immer zu Fuß und im Winter stets nur auf Tourenskiern hinauf auf die Berge. Einen klassischen Skibetrieb gibt es droben am Dammkar sowieso nicht mehr, denn schon seit vielen Jahren setzt Mittenwald auf die Freerider, die auch ohne aufwendig präparierte Pisten auskommen. Aber auch die Freerider tragen ihre Bretter nicht gern selbst hinauf, ehe sie durch den Tiefschnee zu Tal wedeln können.

Wie es mit der Karwendelbahn nun weitergehen soll, ist zwischen den beiden Großaktionären umstritten. Und wohin dieser schon viele Monate schwelende Streit noch führt, ist offen. Dabei herrscht immerhin Einigkeit, dass die Karwendelbahn und ihre Betreibergesellschaft Investitionen brauchen. Doch während die Gemeinde mit einer gewissen Sorge auf das Ergebnis der laufenden Revision blickt und lieber Geld in die Modernisierung der Seilbahn-Technik stecken würde, will der Mehrheitseigentümer, der seinerseits ebenfalls als Aktiengesellschaft firmiert, erst einmal das Restaurant in der Bergstation aufmöbeln.

Öffentlich zu all dem äußern möchten sich die Kontrahenten in diesen Tagen nicht, und auch einzelne Gemeinderäte wollen sich an dem Thema lieber nicht den Mund verbrennen. Sie blicken stattdessen weiterhin allabendlich in die Höhe und schauen, ob an der Bergstation am Ende nicht doch noch irgendwer das bunte Licht ausmacht.

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Quelle:
SZ vom 02.12.2015
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