Süddeutsche Zeitung

Lektion für Seehofer:Der Papst macht es vor

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Ausgerechnet im Vatikan gibt Horst Seehofer einen Scheck für syrische Flüchtlinge ab - dabei hat der Freistaat als einziges Bundesland kein eigenes Aufnahmeprogramm für Kriegsflüchtlinge. Der Papst zeigt dem Ministerpräsidenten in Rom, wie leicht ein Zwiespalt bisweilen zu überwinden ist.

Ein Kommentar von Christian Krügel

Es passiert auch nicht alle Tage, dass ein Ministerpräsident beim Papst einen Scheck abgibt. Bei Franziskus ist aber selbst das möglich: Teure Gastgeschenke verbietet der sich, einen Korb mit bayerischen Spezialitäten durfte Horst Seehofer am Montag allenfalls mitbringen, vor allem aber eine Spende über 5000 Euro für ein vatikanisches Hilfsprojekt für syrische Flüchtlingen im Libanon. Wie passend, denn schließlich sei dem Papst großzügige Hilfe für die Flüchtlinge auch ein besonders wichtiges Anliegen, erzählte Seehofer.

Pikant ist freilich, dass Flüchtlingsorganisationen ausgerechnet dem Freistaat vorwerfen, weniger großzügig zu sein als andere. Der Grund: Als einziges Bundesland hat Bayern keine eigenes Aufnahmeprogramm für Kriegsflüchtlinge beschlossen. Im Rest der Republik wird damit etwa der Nachzug von Familienangehörigen geregelt, teilweise auch Krankenversorgung über das Sozialamt ermöglicht.

Im Freistaat sieht man dafür keinen Bedarf: Es sei politischer Aktionismus, parallel zum Bund eigene Länderprogramme zu starten, heißt es im Innenministerium. Bayern erfülle seine Pflichten, die ihm der Bund auferlege: rund 700 Flüchtlinge wurden offiziell schon aufgenommen, bald werden es mehr als 3000 sein. Zudem kämen viele Flüchtlinge auf eigene Faust nach Bayern. Irgendwann stelle sich dann natürlich die Frage, wie viele Kapazitäten es noch für deren Unterbringung gebe.

Womit man beim Unterschied zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik wäre. Den erklärte Horst Seehofer in Rom so: Der Papst müsse aus Gesinnung radikal Hilfe für Flüchtlinge fordern, der Ministerpräsident dürfe aus Verantwortung für Personal und Etat nur tun, was machbar sei. Nun erlebte er im Vatikan aber auch, wie sich der Zwiespalt aus Gesinnung und Verantwortung manchmal leicht überwinden lässt. Am Petersdom wartete seine Entourage auf ihre Autos, die sie ein paar Hundert Meter weiter in den päpstlichen Palast bringen sollte. Seehofer und die Minister wollten zu Fuß gehen - aus Gesinnung. Das Protokoll verbot das - aus Verantwortung. Und während darüber diskutiert wurde, ging Papst Franziskus freundlich winkend vorbei: zu Fuß in den Palast, einfach so, nur weil er wollte.

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Quelle:
SZ vom 25.06.2014
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