Seehofer im Vatikan:Begleitet von Teufelchen

Horst Seehofer besucht den Vatikan.

Pilger Horst Seehofer: Der bayerische Ministerpräsident (l.) hat Papst Franziskus im Vatikan besucht.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Selbst beim Besuch bei Papst Franziskus in Rom wird Bayerns Ministerpräsident Seehofer den Ärger über die Nörgler in der CSU nicht los. Und dann schlägt ihm Benedikt XVI. auch noch eine Bitte ab.

Von Christian Krügel, Rom

Was ist das nun? Die Pilgerfahrt eines christlichen Politikers nach Rom? Ein PR-Termin für gelungene Fotos mit Papst Franziskus? Oder einfach eine willkommene Pause von Ränkespielen in der eigenen Partei? Gerade die hatten Horst Seehofer doch zugesetzt, zumindest geärgert. Ausgerechnet Markus Ferber, der gescheiterte CSU-Spitzenkandidat bei der Europawahl, hatte ihm am Wochenende krasse Fehler in der Parteiführung und fehlende Bedeutung in der Bundespolitik vorgeworfen.

Jetzt aber sitzt Horst Seehofer hier auf der Dachterrasse der Residence Paolo VI., hinter ihm der Petersdom, und wirkt dann doch ziemlich bedeutend. Bereits zum vierten Mal ist er als Ministerpräsident nach Rom zum Papst geflogen, an diesem Montag wird Seehofer innerhalb einer Stunde von Papst Franziskus und dem emeritierten Papst Benedikt empfangen - ein Privileg, das noch kein ausländischer Staatsgast habe genießen dürfen, wie es im Vatikan heißt.

Seehofer ist in diesem Moment gewiss kein sorgenbeladender Chef einer mitteleuropäischen Regionalpartei, sondern ganz christlich geprägter Staatsmann, katholischer Sozialethiker und Weltbürger. Er hat gerade mit dem Papst über die quälenden humanitären Probleme Europas diskutiert, über Flüchtlingsprobleme und "ethische Verantwortung der Wirtschaft für das Wohl des Einzelnen". Seehofer ist schwer beeindruckt von der 25-minütigen Begegnung mit "einer sehr starken Persönlichkeit", mit einem "Anhänger des Zupackens", der qua Amt die Welt verändern wolle.

Für Seehofer ist der Besuch in Rom ein Kurztrip "unter Freunden"

Wie weit weg sind nach diesem Treffen mit dem Großgeist Franziskus die Kleingeister der CSU, die Markus Ferbers und Erwin Hubers. Und doch begleiten sie Seehofer auch nach Rom. Allzu oft betont er, wie sehr er diesen Kurztrip "unter Freunden" genieße - es begleiten ihn Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Europaministerin Beate Merk, Kultusminister Ludwig Spaenle, Integrationsbeauftragter Martin Neumeyer und Seehofers Stellvertreterin Ilse Aigner. Allesamt stehen sie nicht im Verdacht, einen Aufstand gegen den Parteichef im Sinne Hubers anzuzetteln. Und eigentlich könnten diese Freunde eine nette Party feiern, am Vorabend der Audienz.

Die Dachterrasse des Hotel Cavalieri ist für die bayerische Entourage gemietet, für Rom-Kenner der schönste und exklusivste Blick auf die Ewige Stadt. Der Abend ist lau, es wird auch viel gelacht im inneren Seehoferschen Zirkel, man könnte jetzt den lieben Gott einen guten Mann und Markus Ferber und Erwin Huber böse Teufelchen bleiben lassen. Und doch redet Seehofer über die Sorgen über seine Partei. Das Gerede über ihn störe ihn nicht. Bedeutungslos in Berlin? "Wer das glaubt, soll doch mal mit Merkel und Gabriel reden, wie bedeutungslos wir sind", sagt er.

Alle Rom-Pilger der CSU tun Ferbers Attacke als "Phantomschmerz" eines Politikers ab, der eben eine Wahl verloren hat. Den Parteichef quält ein Gedanke: Mit der Art von Heckenschüssen, wie sie auch Erwin Huber zuletzt gegen ihn abgefeuert habe, könnten CSU-Wähler nachhaltig verstört werden. Und im schlimmsten Fall könnte sogar eine Stimmung in der Partei entstehen wie kurz vor dem Stoiber-Sturz 2007.

So etwas würde die CSU aber gewiss die Macht, vielleicht sogar die Existenz kosten, warnt Seehofer. "Dann fliegt der Laden auseinander", sagt er. Deswegen werde es bei der Vorstandsklausur am Samstag eine klare Aussprache geben. "Wer kandidieren will, soll sich zeigen", sagt Seehofer.

Benedikt XVI. will nicht zurück nach Bayern

Das traut sich zumindest am Montag in Rom keiner. Kurz vor der Papst-Audienz wird der Ministerpräsident für die Fotografen im Petersdom an die Stelle gestellt, an der Karl der Große zum Kaiser gekrönt worden sein soll. "Wer traut sich hier her zu mir?", ruft Seehofer keck Aigner und den anderen zu. Keiner macht den Fehler, zu reagieren. Barbara Stamm unterhält sich lieber mit Pilgern aus Franken, Kultusminister Spaenle schwelgt in der Größe Roms, und Ilse Aigner tut es ihrem Chef gleich und sucht den Kontakt zu deutschen Touristen.

Und der Pilger Seehofer? Auch den gibt es, am ehesten als er im Gebet vor dem Grab Johannes Paul II. verharrt, dem er Mitte der Neunziger im Vatikan begegnete. "Ich dachte mir damals, nach ihm könne es gar nicht mehr weitergehen - und doch ging es immer weiter", erzählt er.

Zu Benedikt XVI. verbinde ihn mehr als eine politische Beziehung, das Treffen in dessen Rückzugsresidenz ist ausdrücklich als privates Gespräch deklariert. Und Seehofer ist sichtlich enttäuscht, dass ihn der 87-Jährige zwar auf die CSU-Niederlage bei der Europawahl angesprochen, ihm aber eine Absage auf eine Einladung nach Bayern gegeben habe - für immer. "Er sagt: Ich bin jetzt Mönch. Das müssen wir respektieren."

5000-Euro-Scheck für syrische Flüchtlinge

Und dann ist da noch die Begegnung mit Franziskus, der offenbar auch im Gespräch mit Seehofer unmissverständlich klar gemacht hat, was er von der Politik erwartet: "den Einsatz für den Schwachen, bei allem, was wir tun", wie es der Ministerpräsident formuliert. Ganz offen räumt der Ministerpräsident ein, dass er sich - wenn überhaupt - von der Kirche etwas sagen lasse, insbesondere von Kardinal Reinhard Marx, der ihm schon öfters deutlich die Meinung zur bayerischen Flüchtlingspolitik gesagt habe.

Brav berichtet er dem Papst, dass die Staatsregierung auch ihre Asylpolitik geändert und Erleichterungen für Flüchtlinge geschaffen habe. Zur Illustration bringt Seehofer dem Papst einen 5000-Euro-Scheck für syrische Flüchtlinge im Libanon mit - während gleichzeitig die Bundesregierung keine zusätzlichen Flüchtlinge aufnehmen möchte.

Es gebe eben einen Widerspruch zwischen "Gesinnungsethik" und "Verantwortungsethik", erklärt das Seehofer in Rom: Der Papst habe die Pflicht, ohne Kompromisse größtmögliche Hilfe für Flüchtlinge zu fordern. Die Politik habe Verantwortung, die Hilfe mit Rücksicht auf Finanz- und Personalsituation des Bundes zu gewähren.

Bei aller Ergriffenheit des römischen Augenblicks: Der gläubige Katholik Seehofer bleibt auch bei Franziskus politischer Pragmatiker. Der Papst schenkt ihm zum Abschied eine Ausgabe seiner Denkschrift "Evangelii gaudium". Dort schreibt Franziskus: "Ich bete zum Herrn, dass er uns mehr Politiker schenke, denen das Volk, das Leben der Armen wirklich am Herzen liegt."

Horst Seehofer besucht den Vatikan.

Bayerische Spezialitäten für Papst Franziskus. Das Gastgeschenk, das Ministerpräsident Horst Seehofer zur Privataudienz mitgebracht hatte, sorgte offenbar für gute Laune.

(Foto: dpa)
Bier und Honig

Was schenkt man einem Papst, der das Ideal der Armut predigt? Eine heikle und durchaus politische Frage, nicht nur weil die Staatskanzlei auf die Befindlichkeiten von Franziskus Rücksicht nehmen muss. Nein, auch hier muss der bayerische Regionalproporz gewahrt werden. Also bekommt der Papst von Seehofer neben der Geldspende für ein Flüchtlingsprojekt einen Präsentkorb mit Spezialitäten aus den Regierungsbezirken: Honig aus dem Bayerischen Wald, fränkischen Wein, Landshuter Schnupftabak, Münchner Weißwürste und Regensburger in der Dose, und natürlich - Bier. "Bier?" Franziskus soll gestutzt haben, als Seehofer ihm die Geschenke überreichte. Das Erstaunen soll dann einem herzhaften Lachen gewichen sein. Zum Vier-Augen-Gespräch mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. brachte Seehofer eine simple Blumenvase mit, ein ausdrücklicher Wunsch des Bayers. Denn in seinem neuen Haushalt gebe es deutlich mehr Blumengeschenke als Vasen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: