Süddeutsche Zeitung

Korruption:Hat der Klinik-Aufsichtsrat im Ingolstädter Untreue-Skandal versagt?

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Von Johann Osel, Ingolstadt

Im Untreue-Skandal am Klinikum Ingolstadt rückt immer mehr die Rolle des Aufsichtsrats in den Fokus. Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft im Geflecht rund um den fristlos entlassenen Geschäftsführer Heribert Fastenmeier, es gab Razzien, gegen knapp ein Dutzend Personen besteht Verdacht. Der frühere Chef, von 2003 bis 2016 im Amt, soll unter anderem Verwandten lukrative Aufträge verschafft haben, offensichtlich systematisch und über viele Jahre.

Ein oppositionelles Zweckbündnis aus SPD, Grünen, Bürgergemeinschaft Ingolstadt und ÖDP stellte am Dienstag im Stadtrat Anträge, die eben den Aufsichtsrat betreffen. "Unregelmäßigkeiten aufdecken, fragwürdige Sachverhalte klären, der Geschäftsführung auf die Finger schauen" - das seien normalerweise die Aufgaben eines Aufsichtsrats, hieß es. Im Falle des Klinikums sei aber zu fragen: "Kontrollfunktion versagt?"

Dem Aufsichtsrat unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Christian Lösel sowie bis zum Jahr 2014 seines Vorgängers und politischen Mentors Alfred Lehmann (beide CSU) gehören auch Stadträte an, weitere Mandatare kommen vor allem vom Bezirk Oberbayern, der ein Viertel des Klinikums trägt. Die Stadt solle, so der Antrag, durch eine Rechtsanwaltskanzlei und Wirtschaftsprüfer "die Pflichtausübung durch den Aufsichtsrat überprüfen" lassen.

Zusätzlich zu den laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden externe Prüfer bereits in die Verwaltung des Klinikums bestellt und sind dort zu Gange. In der Ära Fastenmeier war ein Dickicht aus Beziehungen zu Dienstleistern entstanden. Gleichwohl war er als Chef des viertgrößten Klinikum Bayerns finanziell erfolgreich: das Haus schreibt schwarze Zahlen. Womöglich auch deshalb konnte das mutmaßliche Spezl-System erblühen.

Die Affäre kam im Klinikum selbst ins Rollen, der Ombudsmann des Hauses entdeckte nach externen Hinweisen Anfang vergangenen Jahres Unregelmäßigkeiten. Dass aber nicht der Aufsichtsrat längst stutzig geworden sei und etwas bemerkt habe - den Vorwurf führt der Antrag der auf. Im Aufsichtsrat landen zwar nur Projekte mit eher hohem Volumen; schon in einer Sondersitzung des Stadtrats im Januar hatten aber aktuelle wie frühere Aufsichtsräte durchaus ihre Rolle hinterfragt. "Wir haben nur bemerkt, was man uns bemerken ließ", sagte einer. "Ich frage mich natürlich auch: Hab' ich aufgepasst?", meinte eine Kollegin. Der Rechtsanwalt des Aufsichtsrats sagte damals, in seinen Augen sei jedenfalls eine "Pflichtverletzung" der Mitglieder bislang nicht festzustellen.

Weitere Stränge im Skandal zu Alt-OB Lehmann

Im bisherigen Auftrag der Stadt an die Wirtschaftsprüfer - "vorerst 1000 Prüfstunden" - sei die Rolle des Aufsichtsrats eingeschlossen, sagte OB Lösel in der Sitzung. Er stellte einen ersten Bericht für Ende Juni in Aussicht. Es gehe aber nicht um einen "Generalverdacht" gegen Einzelne; sondern um die Frage, ob die Strukturen stimmten. Abgestimmt wurde schließlich nicht mehr über dieses Begehr.

Ein weiterer Antrag forderte Satzungsergänzungen bei städtischen Tochtergesellschaften hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht. Bei der Aufarbeitung am Klinikum werde deutlich, dass dem Stadtrat nötige Informationen fehlten; nach Ansicht der vier Fraktionen müssten wesentliche Vorgänge, die in den jeweiligen Aufsichtsräten besprochen werden, durch "transparente und umfassende Berichterstattung dem gesamten Stadtrat bekannt sein".

Der Stadtrat gab diese Frage an die Verwaltung weiter. Das Vierer-Bündnis hatte zudem weitere Detailfragen an die Stadt gestellt, zusammen mit der Sitzung vom Januar ist es ein Katalog von 90 Fragen. Die Opposition wittert ein "System der Filzokratie". Denn ein weiterer Strang betrifft nicht direkt das Klinikum: Gegen Alt-OB Lehmann gibt es einen Anfangsverdacht wegen eines Wohnungskaufs auf dem Gelände des alten Krankenhauses. Auch Lehmanns Beraterverträge als Alt-OB und Stadtrat stehen in der Kritik.

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SZ vom 22.02.2017
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