Süddeutsche Zeitung

Klinik-Skandal:Warum Ingolstadt nicht zur Ruhe kommt

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Von Johann Osel, Ingolstadt

Nach dem Freitod des früheren Geschäftsführers des Ingolstädter Klinikums, der Hauptbeschuldigter in der Affäre um mutmaßliche Vetternwirtschaft war, fordert die SPD im Stadtrat einen unabhängigen Ermittler. Der 63-Jährige saß wegen Verdachts der Untreue, Vorteilsannahme und Bestechlichkeit in Untersuchungshaft, er nahm sich dort Ende Dezember das Leben. Ihm wurde unter anderem zur Last gelegt, Verwandte über Fremdfirmen zu unvertretbaren Konditionen angestellt und Aufträge des Klinikums gegen persönliche Vorteile vergeben zu haben.

Nach dem Tod sei es "schwierig, vollends Licht in das Dunkel der Vorgänge am Klinikum zu bringen", schreibt die SPD-Fraktion in einer Mitteilung; es gebe aber "unbestreitbar Vorkommnisse, die einer vorbehaltlosen Aufklärung bedürfen". Der Einsatz eines externen Ermittlers sei nicht ungewöhnlich. So hätten Kleinaktionäre von VW dieses Vorgehen im Dieselskandal erreicht. Ein Sprecher der Stadt sieht einen Sonderermittler als "nicht hilfreich".

2016 waren Ungereimtheiten am Klinikum publik geworden, daraus war ein Ermittlungskomplex gegen mehr als ein Dutzend Personen erwachsen, darunter leitendes Klinik-Personal und Verwandte des Geschäftsführers. Im Stadtrat war die Affäre zum Politikum geworden. Wegen der Fülle der Fälle war der Eindruck eines Systems der Günstlingswirtschaft entstanden; die Opposition, darunter die SPD, wähnte Verfehlungen der von der CSU getragenen Stadtspitze. Hitzige Ratssitzungen mit Fragenkatalogen blieben dann ohne Resultate. Der Ex-Geschäftsführer war Jahrzehnte am Klinikum tätig, seit 2003 als Chef. Er war Mitglied der SPD. Unter seiner Ägide schrieb das Haus schwarze Zahlen - eher eine Seltenheit für kommunale Kliniken.

Zu den offenen Fragen gehört laut SPD, ob bei der achtmonatigen Untersuchungshaft die "Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde". Der Manager sei kein Schwerverbrecher gewesen, "vor dem man die Öffentlichkeit hätte schützen müssen". Sein Verteidiger hatte die U-Haft von Anfang an gerügt. Als der Manager im April inhaftiert wurde, sah die Staatsanwaltschaft Verdunkelungsgefahr. Nach einer Razzia habe er sich zuvor mit einem früheren Klinik-Mitarbeiter getroffen, um Unterlagen auszutauschen.

Debattiert wird in Ingolstadt seit zwei Wochen eine Kontosperrung des Inhaftierten, die ihm kurz vor Weihnachten gerichtlich mitgeteilt wurde. Mit dem Einfrieren von Teilen des Privatvermögens hatte sich der Aufsichtsrat des Klinikums den Zugriff für eine zivile Schadenersatzforderung sichern wollen. Der Donaukurier zitierte Anwälte von Klinikum und Aufsichtsrat, wonach der Ex-Geschäftsführer früher schon eine Vermögensübertragung an seine Söhne vorgenommen habe. Neue "Verschiebungen" seien "objektiv zu befürchten" gewesen; zumal, da Anfang 2018 Versorgungsbezüge fällig waren.

Nach dem Suizid hatte der Anwalt des Ex-Managers, André Szesny aus Düsseldorf, Vorwürfe erhoben. In dem Freitod liege kein Schuldeingeständnis; sein Mandant habe aber den Eindruck gewonnen, er solle "allein den Kopf hinhalten" - er sei daran offenbar verzweifelt. Szesny tadelte auch, dass "in der traditionellen Weihnachtsfriedenszeit" dem Inhaftierten der Beschluss zur Sperrung persönlich zugestellt wurde, nicht den Anwälten.

Die Ermittlungen gegen die anderen Beschuldigten gehen weiter

Am Donnerstag ergänzte Szesny in einem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt: Die Zustellung sei "offenbar bewusst nur in die JVA erfolgt, in Kenntnis der beschränkten Handlungsfähigkeiten". Einstige Vermögensübertragungen seien zudem vor dem Verfahren erfolgt - weitere "Verschiebungen" hätten im Falle der Söhne keinen Sinn ergeben, da auch diese Betroffene der Ermittlungen sind. Kritisch sieht Szesny die Rolle des Aufsichtsrats, in dem Stadträte unter Vorsitz von Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) sitzen. Da sich die Mitglieder beim Thema Kontosperre offenbar nicht über die Konsequenzen bewusst gewesen seien, sei fraglich, inwieweit das Gremium auch in der Vergangenheit in der Lage gewesen sei, seinen Pflichten in der Klinik-Affäre nachzukommen.

Ermittlungen gegen weitere Beschuldigte im Klinik-Komplex werden fortgesetzt. Das Verfahren gegen den Ex-Manager endet wohl mit dessen Tod. Er wurde jüngst im Kreis Eichstätt beerdigt. Über zivilrechtliche Forderungen will der Gesellschafter Krankenhauszweckverband nächsten Donnerstag beraten. Am Freitag gibt es eine Sondersitzung im Stadtrat. Die SPD sprach auch von einer "unzureichenden Informationspolitik der Stadtspitze", die sich hinter den Juristen der Klinik und der Staatsanwaltschaft "versteckt".

Stadtsprecher Michael Klarner wies dies "aufs Schärfste" zurück. Während laufender Ermittlungen stehe es niemandem zu, Vorwürfe in die Öffentlichkeit zu tragen. Gleiches gelte für Geschäftsführung und die Gremien des Klinikums. Auch hätten die SPD-Vertreter in den Gremien nie Anträge auf öffentliche Berichterstattung gestellt.

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SZ vom 12.01.2018
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