Süddeutsche Zeitung

Verfassungsänderung:Peinlicher Parteienstreit um den Klimaschutz

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Wäre es den Streithanseln ernst mit der Aufnahme des Themas in die Verfassung, ließe sich locker ein Kompromiss finden. Doch der Zank schadet der Demokratie.

Kommentar von Wolfgang Wittl

Zum Wesen der Demokratie gehört, dass Parteien miteinander streiten. Erst so werden Standpunkte unterscheidbar. Wähler erfahren durch das Ringen um die besseren Argumente, wer für welche Position steht und wen es sich zu unterstützen lohnt. Grotesk ist ein Streit, wenn sich Parteien in ihrem Ziel einig sind und trotzdem anfeinden, wie es derzeit in dem absurden Schauspiel zur Aufnahme des Klimaschutzes in die bayerische Verfassung zu beobachten ist.

CSU und Freie Wähler, die in den vergangenen Jahren nicht als Umweltaktivisten aufgefallen sind, wollen dem Klimaschutz schnellstens Verfassungsrang geben. Grüne und SPD, die exakt dasselbe gefordert hatten, sind plötzlich dagegen. Sie und die CSU haben ihre Positionen in nur wenigen Monaten damit getauscht - nicht weil der eine den anderen erfolgreich bekehrt hätte, sondern allein aus parteitaktischen Erwägungen. Deshalb ist dieser Streit nicht zum Wohl der Demokratie, er ist zu deren Schaden.

Die Spielräume zur Einigung wären so groß wie sämtliche Naturschutzgebiete im Freistaat zusammen, aber keine Partei ist bereit, auch nur einen Millimeter preiszugeben. Muss der Klimaschutz wirklich schon im Mai in die Verfassung aufgenommen werden, wie die Regierung es will? Müssen einzelne Maßnahmen tatsächlich genau jetzt ins Gesetz geschrieben werden, wie Grüne und SPD das verlangen? Wäre es den Streithanseln ernst mit dem Thema Klimaschutz, ließe sich locker ein Kompromiss finden.

In Wahrheit führen die Parteien einen Kampf um die Umwelthoheit. Die Söder-CSU will grüner werden; wie kräftig der Farbtupfer ausfällt, darf aber nur sie selbst definieren. Die Grünen wiederum wollen sich nicht den Ruf als Öko-Partei Nummer eins ramponieren lassen. Wenn in Bayern beim Naturschutz etwas zu geschehen habe, dann nur nach ihrer, der grünen Fasson. Der Bevölkerung, die gerade zu Hunderttausenden für mehr Artenschutz unterschrieben hat, ist das nicht mehr zu vermitteln. Sie will Lösungen, kein engstirniges Geplänkel.

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Quelle:
SZ vom 27.02.2019
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