Süddeutsche Zeitung

Wälder in Bayern:Der Jägerpräsident hat angebissen

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Seit Jahren übt Ernst Weidenbusch Kritik an den Verbissgutachten der Förster, die Rehe für Probleme im Wald verantwortlich machen - und mehr Abschüsse fordern. Doch plötzlich klingt der Jägerchef ganz anders.

Von Christian Sebald

Es steht schlecht um die Wälder in Bayern. Dass die allermeisten jungen Tannen, Buchen und anderen nachwachsenden Bäume kaum eine Chance haben, groß und stark zu werden, hat auch mit den vielen Rehen zu tun. Denn die Triebe der Jungbäume sind Leckerbissen, sie fressen sie rigoros zusammen. Das zeigen die Verbissgutachten der Förster in schöner Regelmäßigkeit. Die Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung, wie sie offiziell heißen, werden alle drei Jahre von der Forstverwaltung erstellt und beziffern die Fressschäden an den jungen Bäumen. Nach ihnen müssten in der Hälfte der 750 Hegegemeinschaften in Bayern - das sind die Einheiten, zu denen die ungefähr 12 700 Jagdreviere im Freistaat zusammengefasst sind - mehr Rehe erlegt werden, um den Aufbau vielfältiger und starker Mischwälder zu ermöglichen.

Der bayerische Jägerpräsident und CSU-Politiker Ernst Weidenbusch und viele Jäger wollen aber nicht, dass mehr Rehe gejagt werden. Aus ihrer Sicht gibt es nämlich andere Gründe, warum in vielen Wäldern die jungen Bäume nicht nachwachsen. Schlechte Lichtverhältnisse zum Beispiel oder eine zu dichte Bodenvegetation. Weidenbusch übt seit Jahren heftige Kritik an den Verbissgutachten. In der Waldszene sind viele überzeugt, dass er und sein Jagdverband sie lieber heute als morgen abschaffen wollen.

Jetzt hat Weidenbusch alle überrascht. "Forstliches Gutachten: Frieden im Wald" ist die Pressemitteilung getitelt, die der Jagdverband unlängst verschickt hat. Darin verkündet der Jägerpräsident: "Miteinander statt gegeneinander im Sinne von Wild und Wald - das ist das Entscheidende. Wir freuen uns sehr, dass jetzt gemeinsam mit Waldbesitzer- und Bauernverband das Forstliche Gutachten vielversprechend weiterentwickelt wird."

Was ist passiert? Dieser Tage haben sich Jagdminister Hubert Aiwanger (FW), Forstministerin Michaela Kaniber (CSU), Bauernpräsident Günther Felßner und der Chef der Waldbesitzer in Bayern, Josef Ziegler, getroffen und übereinstimmend erklärt, dass die Verbissgutachten "ein unverzichtbares Monitoring- und Steuerungsinstrument für ein ausgewogenes Wald-Wild-Verhältnis sind", wie man es in einer Presseerklärung des Agrarministeriums nachlesen kann. Zugleich wird bekräftigt, dass man auch in Zukunft auf ihrer Basis entscheiden werde, wie viele Rehe in einem Wald gejagt werden sollen. "Wir haben erwartet, dass Weidenbusch das Treffen wütend kommentieren wird", sagt ein Insider. Zumal der Jägerpräsident nicht eingeladen war.

Freilich haben Aiwanger, Kaniber und Co. den Jägern eine Brücke gebaut. Im Rahmen der Gutachten sollen sich die Förster künftig auch über die Lichtverhältnisse in den Wäldern, die Bodenvegetation und anderes mehr äußern. "Aber keiner hat damit gerechnet, dass das bei Weidenbusch so super ankommt", sagt der Insider. "Denn es handelt sich um eine Kleinigkeit, die an den Aussagen der Verbissgutachten nichts ändern wird."

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