Süddeutsche Zeitung

Staatshaushalt:Bayerns teure Koalition

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Von Wolfgang Wittl, München

Der zweite Stock in Kloster Banz gehört nicht zu den am häufigsten frequentierten Ecken dieses erhabenen Gebäudes. Nicht einmal dann, wenn die CSU-Landtagsfraktion sich zu ihrer Winterklausur trifft. Am Abschlusstag findet auf dieser Etage die Pressekonferenz statt, gelegentlich schaut ein Abgeordneter zum Plausch mit Journalisten vorbei. In der vergangenen Woche allerdings glich der Flur einer Durchgangsstraße. Immer wieder rannten Minister und hohe Beamte zu einem Zimmer ans Ende des Gangs. Dort saß Finanzminister Albert Füracker und erwartete seine Gesprächspartner zum meist desillusionierenden Austausch. Es ging ums Geld, das selbst im reichen Bayern knapper wird. Die Rücklagen von sechs Milliarden Euro sollen dem Vernehmen nach auf zwei Milliarden schrumpfen.

Die Ergebnisse der Banzer Gespräche werden an diesem Donnerstag und Freitag in St. Quirin einfließen, wenn sich das Kabinett am Tegernsee zu seiner zweitägigen Haushaltsklausur zurückzieht. Haushalt - das klingt nach vielen Zahlen und staubtrockener Materie. Doch er ist nicht weniger als der Wegweiser durch die Landespolitik. Im Haushalt wird auf den Cent genau festgelegt, wie viel Geld für welche Projekte vorhanden ist und in welchem Tempo sie vorangetrieben werden. Die Rituale vor den Klausuren sind stets dieselben: Kabinettsmitglieder setzen ihre Forderungen für neue Stellen und frische Mittel grundsätzlich höher an. So hoffen sie, ihre tatsächlichen Wünsche erfüllt zu bekommen. Denn zum Ritual gehört ebenso, dass der Finanzminister die hohen Erwartungen auf ein Normalmaß stutzt.

Wenn nun der Doppelhaushalt 2019/20 verhandelt wird, ist alles ein bisschen anders als die Jahre davor. Nicht mehr die alleinregierende CSU feilscht unter sich um Geld und politische Prioritäten. Erstmals sitzen die Freien Wähler als Koalitionspartner mit am Tisch, das macht die Gespräche nicht nur spannender, sondern auch teurer. Schon Markus Söder hatte nach seinem Amtsantritt als Ministerpräsident im vergangenen März ein milliardenschweres Programm aufgelegt, das den Anforderungen des Wahlkampfes standhalten sollte.

Flächendeckend brachte Söder das Geld unter die Leute. Hinzu kommen die kostspieligen Wahlkampfschlager der Freien Wähler, die ihr Chef Hubert Aiwanger erfolgreich im Koalitionsvertrag verankert hat. Mittendrin zwischen den spendablen Instinktpolitikern Söder und Aiwanger steht Finanzminister Füracker, der als seriöser Kassenwart die Wünsche der Wirklichkeit anzupassen hat.

Lag der Haushalt zu Beginn der vergangenen Legislatur 2013 noch unter 50 Milliarden Euro, so wuchs er zum Ende der Amtszeit von Horst Seehofer auf gut 60 Milliarden an. Nach dem Wechsel zu Söder stieg das Budget auf 61 Milliarden Euro - erfasst waren im Nachtragshaushalt 2018 aber nur die Ausgaben für das bereits begonnene Jahr. Künftig summieren sich die Zusatzausgaben für Familien- und Pflegegeld sowie die von den FW durchgesetzten Zuschüsse für Kita- und Kindergartenbesuche auf jährlich eineinhalb Milliarden Euro - letztere schlagen mit 560 Millionen Euro zu Buche. Die von den Freien Wähler geforderte Erstattung der Straßenausbaubeiträge kostet jährlich 150 Millionen Euro: 100 Millionen Euro erhalten die Gemeinden, 50 Millionen wandern in einen Härtefallfonds. Söders Pläne blieben unangetastet, etwa für ein Raumfahrtprogramm oder neue Lehrer und Polizisten.

Die Ausgaben werden wohl steigen - ohne neue Schulden

Die von der CSU einst selbst verordnete Steigerungsquote von maximal drei Prozent wird sich im neuen Doppelhaushalt nicht halten lassen. Sie soll bei mindestens fünf Prozent liegen. 14 000 neue Stellen haben alle Ministerien zusammen gefordert. Das tatsächliche Ergebnis dürfte um 10 000 Stellen niedriger ausfallen. Söder sagte in Banz, ein wachsendes Bayern bedeute auch wachsende Ausgaben. Die oberste Maßgabe werde aber eingehalten: keine Schulden machen, Reserven behalten. Tatsächlich will der Freistaat im Doppelhaushalt eine Milliarde Euro Schulden tilgen.

Das gelingt nur mit einem Griff in die derzeit sechs Milliarden Euro Rücklagen. Sie werden zwischenzeitlich auf zwei Milliarden Euro schrumpfen, sollen durch Haushaltsreste und Steuerüberschüsse aber wieder anwachsen. Die Steuermehreinnahmen werden durch die konjunkturelle Abschwächung niedriger ausfallen. Fest eingeplant für die Rücklagen sind auf CSU-Seite die 800 Millionen Euro Strafzahlung von Audi. Die Freien Wähler wollen mit dem Geld eine Umweltstiftung aufbauen. Ohne Zustimmung des großen Koalitionspartners dürfte das aussichtslos sein.

In der Regierung stellt man sich am Tegernsee auf "ein zähes Ringen" ein. Bis in die Nachtstunden werde am Donnerstag wohl verhandelt. Finanzminister Albert Füracker sagt im Moment nichts zu all dem, außer dass die Verhandlungen auf Grundlage des Koalitionsvertrages geführt würden. Darin heißt es unter anderem: Alle Vorhaben stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Was das bedeutet, wissen Minister, die in Banz mehr Geld forderten. Wenn man ihm erklären könne, wo dieses Geld herkomme, sei das kein Problem, soll der Finanzminister gesagt haben. Die Antwort war meistens: Schweigen.

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SZ vom 24.01.2019
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