Süddeutsche Zeitung

Bayerischer Haushalt:Teure Wahlversprechen

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Von Wolfgang Wittl, Gmund

Die meisten Minister haben das Tagungszentrum am Tegernsee schon wieder verlassen, als die Hauptdarsteller vor die Mikrofone treten. Und obwohl die Verhandlungen zum Doppelhaushalt wochenlang ziemlich zäh gewesen sein sollen, machen beim Hinausgehen alle ein zufriedenes Gesicht. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) freut sich über 2200 Stellen, die meisten davon für Lehrer. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) kommt auf ein Plus von hundert Millionen Euro - und einem ihrer Kernanliegen damit einen Schritt näher. "Die Ställe der Zukunft sollen in Bayern stehen und in keinem anderen Bundesland", sagt sie.

Die Eckpunkte legen am Freitag Ministerpräsident Markus Söder, Finanzminister Albert Füracker (beide CSU) und der stellvertretende Regierungschef Hubert Aiwanger (FW) vor. Fast 125 Milliarden Euro wird der Freistaat in den nächsten beiden Jahren ausgeben. Möglich ist das nur durch einen tiefen Griff in die Rücklagen. Sie werden von 5,8 auf 2,2 Milliarden Euro schmelzen. Die Zahlen zeigen: Die Wahlkampfversprechen der Koalition aus CSU und Freien Wählern haben ihren Preis.

Drei Punkte seien ihm wichtig gewesen, sagt Söder: Die solide Haushaltspolitik sollte fortgeführt werden. Der Freistaat sollte zukunftssicher gemacht werden, die Menschen müssten sich wohlfühlen - in den Großstädten wie auf dem Land. Und, drittens, müsse die Regierung umsetzen, was sie angekündigt habe. Alle drei Ziele seien erreicht worden, sagt Söder. Bayern wachse, dem müsse man Rechnung tragen. Der Haushalt gebe "Halt und Orientierung in unsicher werdenden Zeiten".

Tatsächlich knüpft die Staatsregierung an vergangene Jahre an. Zum 15. Mal hintereinander kommt ihr Haushalt ohne neue Schulden aus. Auch diesmal wird sie wieder Schulden tilgen, wie es seit 2012 üblich ist. Wer genau hinsieht, stellt allerdings fest, dass sich die Statik zu verschieben beginnt. Statt eineinhalb Milliarden Euro wie 2018 wird Bayern in den nächsten beiden Jahren jeweils nur noch eine halbe Milliarde der derzeit 27 Milliarden Schulden abbauen. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, wird das schuldenfreie Bayern erst tief in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts Realität. Ob es nicht redlicher sei, endlich einzugestehen, dass man das Ziel der Schuldenfreiheit bis 2030 klar verfehlen werde, wird Söder gefragt. Er sagt: "Es wird ambitioniert bleiben."

Eine weitere selbst gesteckte Zielmarke reißt die Regierung schon jetzt. Auf drei Prozent wolle man den Anstieg der Ausgaben begrenzen, hatte Söder als Finanzminister einst bekräftigt. Diesmal liegt der Zuwachs im Schnitt bei 4,5 Prozent. Würde nicht im kommenden Jahr der Länderfinanzausgleich aus der Statistik fallen, wäre der Anstieg sogar noch höher. Wegen der Reform des Länderfinanzausgleichs erklärt sich auch, warum der Haushalt von 64,9 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 59,7 Milliarden in 2020 sinkt.

Die Opposition lässt kein gutes Haar am Finanzplan der Regierung. "Es wäre verantwortungsvoll, in diesen steuerstarken Jahren die Rücklagen aufzubauen, statt zu plündern", sagt die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Köhler. "Es werden mit der Gießkanne wahllos Gelder ohne nachhaltige Effekte übers Land verteilt", kritisiert SPD-Mann Harald Güller. "Bayerns Reserven werden verschwendet", findet Helmut Kaltenhauser (FDP). Alle sind sich einig: Zu teuer seien die schwarz-orangen Wahlversprechen.

Tatsächlich musste Finanzminister Füracker den Spagat hinbekommen, die Wünsche Söders und Aiwangers mit seriöser Haushaltspolitik in Einklang zu bringen. "Exzellente" Arbeit bescheinigt ihm sein Chef. Minister loben Füracker als hartnäckigen, aber fairen Verhandler. Sein Spielraum war begrenzt: Söders Familien- und Pflegegeld, Aiwangers Forderung für Kita- und Kindergartenzuschüsse, die Erstattung der Straßenausbaubeiträge - das kostet Milliarden. "Die Vorgaben des Koalitionsvertrages waren entscheidend", sagt Füracker.

Aber der Freistaat investiere auch kräftig, "nicht nur in Beton und Masten, sondern in Köpfe und Kinder". 2000 Lehrer, 1000 Polizisten - und erstmals mehr als 40 Milliarden Euro für die Bildung. Das verschmerzt sogar der sparsame Finanzminister: "Das ist etwas, was Freude macht, weil es dort richtig eingesetzt ist." Die von Söder propagierte Umweltoffensive schlägt sich im Etat mit einem überdurchschnittlichen Plus von 5,6 Prozent nieder. Insgesamt investiert der Freistaat in den nächsten zwei Jahren 17 Milliarden Euro, mehr als je zuvor.

Der Wirtschaftsminister sieht darin genau den richtigen Weg, der konjunkturellen Abschwächung den Kampf anzusagen. In drei Jahren werde man dankbar sehen, wie Bayern von diesem Haushalt profitiere, sagt Aiwanger. Es sei "goldrichtig", jetzt zu investieren, anstatt nur auf dem "Geldkoffer" zu sitzen. "Wir setzen auf den starken Staat." Die Idee seiner Fraktion, die 800 Millionen Euro Strafzahlung von Audi für eine Umweltstiftung zu verwenden, kassiert er persönlich wieder ein. Das Geld soll zusätzlich in die Rücklagen fließen. Den letzten Haushalt der CSU-Alleinregierung hatte Aiwanger im Landtag noch zerpflückt. Weshalb er denn jetzt so zufrieden sei, wo sich an den Eckpfeilern gar nicht viel verändert habe, wird Aiwanger gefragt. "Ganz einfach", sagt er: "Weil wir diesmal mit dabei waren."

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SZ vom 26.01.2019
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