Süddeutsche Zeitung

Sonderparteitag in Greding:Showdown bei der AfD

Lesezeit: 4 min

Von Lisa Schnell, München

Es gibt nicht viele Orte in Bayern, die gerne die AfD bei sich zu Gast haben. Und so kommt es, dass sich die Geschichte dieser Partei an einem kleinen Ort in Mittelfranken verdichtet. In der Veranstaltungshalle in Greding, wo sonst türkische Hochzeiten gefeiert werden, zieht seit Jahren die AfD ein, mal im Triumph und mal in der Krise, so wie am Sonntag. Dann findet dort ein Sonderparteitag statt. Mitglieder erwarten "Chaos", eine "große Streiterei" und im besten Fall "ein reinigendes Gewitter".

Das hat zum einen mit Katrin Ebner-Steiner zu tun, der umstrittenen AfD-Fraktionschefin im Landtag. Auch ihre Erfolge und Niederlagen sind mit Greding eng verbunden. Vor zwei Jahren zog sie dort in den Landesvorstand ein und vor ein paar Monaten am selben Ort scharfe Kritik auf sich. Ebner-Steiner stand bei einem Treffen der rechts-nationalen AfD-Gruppierung "der Flügel" auf der Bühne, als der ganze Saal das von den Nationalsozialisten genutzte Deutschlandlied sang. Diesen Sonntag wird sie sich wohl auf der selben Bühne deshalb rechtfertigen müssen.

Es ist nur einer von vielen Konflikten, die zur Sprache kommen könnten. Vor allem zwei Lager ringen miteinander, die auch bundesweit um die Vormachtstellung in der Partei kämpfen. Auf der einen Seite stehen die Anhänger des radikalen "Flügels", dem auch Ebner-Steiner angehört. Sie sind in Bayern nicht allzu stark, aber umso besser organisiert. Auf der anderen Seite finden sich die nicht ganz so Rechten unter den Rechten. Seit Monaten kracht es zwischen ihnen, vor allem in der Landtagsfraktion. Eine nicht vollständige Aufzählung der Verwerfungen in chronologischer Reihenfolge:

Der Abgeordnete Reimund Swoboda beklagt einen Rechtsruck und verlässt im März Partei und Fraktion. Als Franz Bergmüller, Hauptgegner von Ebner-Steiner, Verständnis zeigt, soll er aus der Fraktion geworfen werden. Dazu kommt es nicht. Dafür wird bekannt, dass die Fraktion Mitarbeiter beschäftigt, die Verbindungen zur NPD aufweisen. Der nächste geht: Markus Plenk, vormals Fraktionschef.

Sowohl die umstrittenen Mitarbeiter vom rechten Rand, von denen sich die Fraktion getrennt hat, als auch die Causae Plenk, Swoboda und Bergmüller stehen in Greding am Sonntag auf der Tagesordnung. Diese wurde allerdings vor mehr als eineinhalb Monaten gemacht. Mittlerweile ist viel passiert, das die Basis nicht friedlicher gestimmt haben dürfte. So wurde Anfang Juni ein interner Kassenprüfbericht der Landtagsfraktion öffentlich, der dem Vorstand einen zu laxen Umgang mit Steuergeld vorwirft. Kritisiert wird etwa die Anschaffung einer Couch-Garnitur für 20 000 Euro.

"Je nachdem, zu welchem Lager man gehört, wird man Prügel bekommen"

Bei einem Treffen, das eigentlich der Aussprache dienen sollte, eskalierte der Streit vollends. Ebner-Steiner veröffentlichte in einer internen Chat-Gruppe offenbar E-Mails von acht Abgeordneten, die sie zum Rücktritt bewegen wollten. Sieben von ihnen sollen gegen Ebner-Steiner deshalb Strafanzeige gestellt haben. Allerdings konnte die Staatsanwaltschaft München I das am Donnerstag nicht bestätigen. Ebner-Steiner selbst teilt mit, sie äußere sich nicht zu Interna, nur soviel: "Zum Erfolg der Fraktion und im Interesse unserer Wähler arbeite ich mit allen Abgeordneten zusammen." Eine interne Abstimmung ergab, dass zehn von 20 Abgeordneten noch hinter ihr stehen.

"Je nachdem, zu welchem Lager man gehört, wird man Prügel bekommen", sagt der Augsburger Abgeordnete Markus Bayerbach, und: "Es ist das Recht der Mitglieder, sich auszukotzen. Das muss man als Mandatsträger aushalten." Er selbst ist bei der sogenannten "Achter-Bande" gegen Ebner-Steiner dabei. Seine Prügel werden wohl in dem Vorwurf bestehen, ein Verräter zu sein und die Partei spalten zu wollen. So war es schon zuvor in den sozialen Medien zu lesen. Im Gegenzug wird Ebner-Steiner Unprofessionalität und ein diktatorischer Führungsstil vorgeworfen. Auch Anhänger des "Flügels", die ideologisch eher bei ihr stehen, sollen mit ihrer Arbeit hadern.

Am Sonntag werde es aber nicht nur um die Fraktion gehen, sondern auch um einen weiteren "zentralen Streit in der AfD", wie es Landeschef Martin Sichert sagt. Auch der hat wieder mit dem Kampf der Gemäßigten gegen den "Flügel" zu tun und in Bayern natürlich mit Greding. Dort stand bei dem erwähnten "Flügel"-Treffen Benjamin Nolte auf der Bühne und forderte, die Unvereinbarkeitsliste der AfD "auf den Müllhaufen der Parteigeschichte" zu werfen. Auf dieser Liste sind rechtsextreme Parteien wie die NPD aufgeführt, deren frühere Mitglieder der AfD nicht beitreten dürfen. Nolte sprach sich damit gegen einen Parteibeschluss aus und das als Mitglied des Landesvorstands.

Für Sichert war das nicht akzeptabel. Mit Hilfe einer Ordnungsmaßnahme enthob der Landesvorstand Nolte seines Amtes. Er positionierte sich damit in einem Streit um die Meinungsfreiheit, der bundesweit geführt wird. Dabei geht es auch um die Abgrenzung zu rechtsextremen Aussagen. Sichert spricht sich dafür aus, dass Funktionsträger ihre Öffentlichkeitswirkung dafür nutzen, "um in angemessener Wortwahl unsere Inhalte zu präsentieren". So steht es in einer Resolution, die er verfasst hat und zu der sich alle Amtsträger bekennen sollen. Für einen entsprechenden Antrag will er am Sonntag werben. Ein AfD-Abgeordneter, der öffentlich einem Parteibeschluss widerspricht, könnte dann sanktioniert werden oder wie Sichert sagt: "Dem kann ich im Nachgang die Hammelbeine lang ziehen." Eine Vorstellung, die nicht bei allen Funktionsträgern Freude auslöst.

Wer wie diszipliniert gehört, könnte am Sonntag auch diskutiert werden. Ein Punkt auf der Tagesordnung befasst sich mit Ordnungsmaßnahmen, die verhängt werden sollen. Zu Abwahlen des Vorstands kann es nicht mehr kommen. Dazu wurde das nötige Quorum an Unterschriften nicht erreicht. "Eine reine Diskussionsveranstaltung ohne Entscheidungen", sagt Franz Bergmüller, und er klingt ein wenig enttäuscht dabei. Welche Entscheidung er sich wünscht, hat er oft genug deutlich gemacht, als er den Rücktritt von Ebner-Steiner forderte. Auf den Parteitag ist Bergmüller gar nicht eingeladen. Noch immer streitet er vor Gericht, ob er überhaupt AfD-Mitglied ist. Seine Interessen aber werden in Greding wohl trotzdem vertreten werden.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2019
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