Süddeutsche Zeitung

Garmisch-Partenkirchen:Ein Ehrenbürger, der sehr spät gewürdigt wird

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Mehr als 60 Jahre braucht Garmisch-Partenkirchen, um das von den Nazis geschändete Grab von Hermann Levi zu erneuern. Der Ort hat sich das Gedenken mühsam abgerungen.

Von Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Die Gebeine liegen immer noch da, wo Hermann Levi, einst Hofkapellmeister in München und einer der bedeutendsten Dirigenten seiner Zeit, kurz nach seinem Tod vor ziemlich genau 120 Jahren beigesetzt worden war. Mehr als die Hälfte dieser zwölf Jahrzehnte seit Levis Tod hat die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen gebraucht, um nach der eilfertigen Grabschändung durch die örtlichen Nazis wieder zu einem würdigeren Umgang mit ihrem zuletzt unter Bauschutt und Gerümpel ruhenden Ehrenbürger zu finden. Nun soll das Grabmal neu gestaltet werden. Die Münchner Künstlerin Franka Kaßner hat mit ihrem Entwurf den Gestaltungswettbewerb gewonnen.

Levis ursprüngliches Mausoleum im Park seiner Villa am Partenkirchner Riedberg stammte vom Bildhauer Adolf von Hildebrand, doch dieses im Jahr 1900 gebaute Grabmal fiel dem Wüten der Nationalsozialisten ebenso zum Opfer wie insgesamt das Andenken an den Partenkirchner Ehrenbürger Levi, der zwar konfessionslos bestattet worden war, aber von einer langen Reihe jüdischer Rabbiner abstammt. In den Fünfzigerjahren wurde das Mausoleum vollends abgebrochen, um den einstigen Hermann-Levi-Weg, der zwischenzeitlich nach dem NS-Hetzschriftenverleger Theodor Fritsch benannt wurde, nun als "Karwendelstraße" verbreitern zu können. Levis Gebeine lagen weiter unter Hildebrands Grabplatte - und unter allerlei Baumaterial - am Rand des Grundstücks.

Es sollte ein halbes Jahrhundert dauern, bis sich in Garmisch-Partenkirchen wieder jemand vehementer für das Gedenken an Levi einsetzte. Doch der Unwille blieb groß. So sollte 2012 ein Teil der Hindenburgstraße nach Levi benannt werden, die Bürger stimmten in einem Entscheid aber zu 90 Prozent für Hindenburg. Der Plan, den ohnehin adressenlosen Partenkirchner Kurpark nach Levi zu benennen, scheiterte im vergangenen Dezember zum wiederholten Mal am Gemeinderat - unter Umständen, welche die Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer (SPD) in weiten Teilen als "beschämend" empfunden hat.

Meierhofer und die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hatten schon Levis Umbettung nach München vorgeschlagen, ehe es der Bürgermeisterin doch gelang, das Grab über einen Grundstückstausch für die Gemeinde zu sichern. Das Thema Levi hat Meierhofer durch ihre ganze sechsjährige Amtszeit begleitet, die am Donnerstag zu Ende gegangen ist - genau mit der Jurysitzung des Wettbewerbs für ein neues Levi-Grabmal und einen "Gedenk- und Lebensweg" um den einstigen Park. Mit diesem Wettbewerb, den die Gemeinde mit dem Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler München und Oberbayern ausgelobt hatte, sei ein wichtiger Meilenstein erreicht, sagte Meierhofer. "Ich bin begeistert von der hochwertigen und zeitgemäßen künstlerischen Herangehensweise an das Thema und hoffe, dass der neue Marktgemeinderat den eingeschlagenen Weg weitergeht und die Realisierung der Neugestaltung der Gedenkstätte noch 2020 zügig vorantreibt."

In die Endrunde hatten es drei der sieben eingereichten Entwürfe geschafft. Die Jury, der neben Meierhofer und einigen Künstlern, Kuratoren und Architekten auch Charlotte Knobloch angehörte, entschied sich für den Entwurf "Der letzte Gruß" von Franka Kaßner. Die unternimmt gar nicht den Versuch, Hildebrands Mausoleum zitieren oder gar rekonstruieren zu wollen, sondern ersetzt dessen verlorene Opulenz durch einen niedrigen, deckenartigen Überbau über dem Grab, dem so auch die Geschichte seiner zwischenzeitlichen Vergessenheit anzusehen ist. "Ich verlasse Garmisch-Partenkirchen heute mit einem sehr guten Gefühl und gratuliere der Gemeinde für das, was in Sachen Hermann Levi auf den Weg gebracht wurde", sagte Knobloch und sprach Meierhofer ihre Anerkennung dafür aus, "dass sie geschafft hat, was schon vor Jahrzehnten hätte passieren sollen". Die ersten Veranstaltungen des von der Gemeinde ausgerufenen "Hermann-Levi-Gedenkjahrs", darunter ein Konzert eines Ensembles der Staatsoper unter Kirill Petrenko, mussten wegen der Coronapandemie verschoben werden und sollen im Herbst stattfinden.

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SZ vom 04.05.2020
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