Süddeutsche Zeitung

Füssen:Ludwigs Visionen in 3D

Lesezeit: 3 min

Von Hans Kratzer, Füssen

Man kann König Ludwig II. (1845-86) aus heutiger Sicht für exzentrisch, verrückt und durchgeknallt halten, ein herausragender Visionär war er trotz aller Kritik. Gerd Hirzinger, 73, der viele Jahre lang das Institut für Robotik und Mechatronik des deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) in Oberpfaffenhofen leitete, hegt keinen Zweifel daran, dass der von seinem Verhalten her so seltsame König die technische Entwicklung seiner Zeit massiv vorangetrieben hat. Er habe bereits auf die Dampfkraft zurückgegriffen und auf die Elektrizität. "Bayern wurde unter Ludwig II. zu einem Vorreiter neuer Technologien", sagt Hirzinger. Tatsächlich steckte schon hinter der Fassade von Schloss Neuschwanstein eine hochmoderne Technik, etwa eine Zentralheizung und fließendes warmes Wasser. Überdies träumte Ludwig II. zeitlebens vom Fliegen, was damals als unvorstellbar und technisch unmöglich galt. Sehr wahrscheinlich hat der König den Luftfahrtpionier Gustav Koch, der an einer Art lenkbarem Luftschiff arbeitete, finanziell unterstützt.

Was den Hang zu Visionen betrifft, ist der aus der Oberpfalz stammende Professor Hirzinger aus ähnlichem Holz geschnitzt wie Ludwig II. Für seine Forschungen hat Hirzinger viele Auszeichnungen bekommen, unter anderem den hochdotierten Leibniz-Preis. Umso schöner, dass er für eines seiner innovativen Technikprojekte die Bauwerke des sogenannten Märchenkönigs ins Visier genommen hat, die er schon um die Jahrtausendwende mithilfe von modernster Kamera- und Lasertechnik dreidimensional ins Bild setzte. Bei der Landesausstellung 2011 auf Herrenchiemsee bekamen die Besucher Hirzingers frühe 3D-Präsentationen von Ludwigs Schlössern und Visionen zu sehen.

Die an Spezialcomputern erzeugten Bildwelten wurden aber ständig weiterentwickelt. Der aktuelle Fortschritt wird seit einiger Zeit in Form eines 45-minütigen 3D-Films im Füssener Festspielhaus präsentiert. Noch nie ist man den Visionen Ludwigs visuell und emotional näher gerückt als in dieser Filmschau. Nachhaltig wird der Besucher bei der fiktiven Schifferlfahrt in der Grotte in Linderhof, beim Flug über einen chinesischen Palast in den Bergen und beim Aufstieg einer Schwebebahn über den Alpsee davon überzeugt, welche gedankliche und technische Wucht Ludwig II. in seinen allerdings unbezahlbaren Plänen entfaltet hat. Die Reise zum Wagner-Festspielhaus an den Hängen der Isar in München, zu den visionären Schlössern im Graswangtal, in den tropischen Dachgarten auf der Münchner Residenz und in den Türkischen Saal des Schachenschlosses hinterlässt beim Betrachter des Films einen beeindruckenden Nachhall, mag auch der Fluss der Bilder an der einen oder anderen Stelle noch Potenzial zur Weiterentwicklung haben. Untermalt wird das Ganze von der schweren Musik Richard Wagners, die Ludwig II. überhaupt erst zu diesen Visionen motiviert hat.

Die 3D-Veranstaltung in Füssen ist bislang wenig beworben worden. Sie steht noch ganz im Schatten des neuen Ludwig II.-Musicals, das sich im Festspielhaus nach vielen Höhen und Tiefen wieder langfristig etablieren soll. Die für das Musical konzipierte Bühne bietet auch eine ideale Plattform für die Filmvorstellung, die Ludwigs Bauten und Pläne auf einer 14 mal 7 Meter großen Leinwand intensiv erlebbar macht. Den Handlungsrahmen für die Reise durch die fantastischen Welten bildet ein Zwiegespräch von Adler und Möwe, so nannten sich Ludwig II. und Sisi, Kaiserin Elisabeth von Österreich, in ihren Briefen.

Eine filmische, aber an die Welt des Theaters angelehnte Präsentationsform schwebte dem Festspielhaus-Intendanten Florian Zwipf-Zaharia schon lange vor. In Hirzinger fand er den idealen Partner, um diesen Plan bildmächtig umzusetzen. Hirzinger wiederum arbeitet schon seit vielen Jahren mit dem Computergrafiker Jürgen Dudowits zusammen, der mit seiner Firma VR Dynamix unter anderem digitale Bauten und kulturhistorisch interessante Landschaften für das Projekt "Virtuelles Bayern" entwickelt. Besonders beeindruckend wirken die von Hirzinger und Dudowits entwickelten Filmsequenzen über die nicht verwirklichten Bauprojekte Ludwigs II., die Burg Falkenstein bei Pfronten zum Beispiel. "Die virtuelle Rekonstruktion fußt auf Fotografien und Bauplänen von damals", sagt Hirzinger.

Der Animationsfilm ist nur einer von mehreren Programmpunkten des neu aufgestellten Festspielhausbetriebs. Die vorläufige Rettung des im Jahr 2000 eröffneten Hauses in seiner herrlichen Lage direkt am Forggensee sicherte zuletzt der aus dem Allgäu stammende Unternehmer Manfred Rietzler, der die defizitäre Spielstätte des "König Ludwig"-Musicals kurzerhand kaufte. Ob sie in Bälde Gewinn abwerfen wird, ist trotzdem ungewiss. Die Betreiber feilen eifrig an einem tragfähigen Gesamtkonzept, in dem das Musical im Zentrum steht. Neu inszeniert vom Regisseur Benjamin Sahler, wird das Musikdrama vom Leben und Sterben des Königs heuer in drei Staffeln mit insgesamt 60 Aufführungen präsentiert. Theaterleiter Zwipf-Zaharia wird das Haus demnächst verlassen, im Guten, wie er sagt, um sich der Organisation des Carl-Orff-Fests in Andechs am Ammersee zu widmen.

Der Film Ludwigs Visionen in 3D im Festspielhaus Füssen (Im See 1) wird jeden Montag um 11 Uhr gezeigt. In dieser Woche auch von Dienstag bis Donnerstag. Weitere Termine auf der Webseite des Festspielhauses.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2018
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